Aretha Franklin - Queen of Soul
PROLOG
DETROIT 1989
Aretha Franklin gibt nur selten Interviews und wenn, so weigert sie sich, über ihr Privatleben zu sprechen. Im Sommer 1985 bot sich mir die einzigartige Gelegenheit, sie für eine Radiosendung mehrere Stunden in ihrem Haus im Detroiter Vorort Bloomfield Hills zu interviewen. Zuerst war sie etwas schüchtern, doch allmählich taute sie auf und entpuppte sich als herzlich und kommunikativ.
Ich stoppte das Aufnahmegerät mehrmals, damit sie sich eine Zigarette anzünden und einfach frei von der Leber weg plaudern konnte. Sie war charmant und machte einen sehr bodenständigen Eindruck. Da ich selbst in Detroit aufgewachsen bin, war Aretha mir seit drei Jahrzehnten als lokale Legende sehr präsent. Im Laufe des Interviews stellte ich erleichtert fest, dass sie keine Primadonna ist. Sie wurde zunehmend offener, als sie merkte, dass ich mein Interview eher wie eine freundliche Unterhaltung führe.
Während einer der Aufnahmepausen erklärte ich ihr, dass ich bereits mehrere Biografien berühmter Persönlichkeiten geschrieben hätte und es mein Traum sei, sie eines Tages dabei zu unterstützen, ihre Autobiografie zu verfassen. »Daran bin ich nicht interessiert«, erwiderte sie. »Ich möchte kein Buch schreiben.« Ich war zwar enttäuscht, aber immerhin froh, dass ich gefragt hatte.
Das Interview verlief recht glatt. Wie gewünscht, hielt ich mich von diversen Tabuthemen fern; vor allem den kürzlich erfolgten Tod ihres Vaters erwähnte ich mit keinem Wort. Dadurch fühlte sie sich offensichtlich wohl genug, um über sich selbst lachen und über ihre Flugangst und ihren Französischunterricht reden zu können. »Moi?« , sagte sie des Öfteren lachend. Als das Interview vorbei war, zeigte sie mir noch ihren Garten, ihren Swimmingpool und ihr Gemüsebeet. An diesem Nachmittag lernte ich eine charmante, witzige Vorstadtlady kennen, die auf ihr Haus und ihren Garten stolz war. Fast konnte man vergessen, dass man es mit einem internationalen Superstar zu tun hatte.
Im Laufe meiner Karriere wurde ich mehrfach gefragt, welches Buch ich am liebsten schreiben würde. An diesem Nachmittag fand ich darauf eine Antwort. Ich begann offiziell mit der Arbeit an diesem Buch – dem herausforderndsten und lohnenswertesten, das ich je verfasst habe. Es war zuvor noch kein Buch über Aretha Franklin erschienen. Ich schickte mich also an, eine Biografie zu schreiben, die auch ohne ihre vollständige Kooperation so umfassend und wahrhaftig wie möglich werden sollte. Einige Informationen, auf die ich dabei stieß, waren schockierend.
Im Laufe meiner Recherche hatte ich das Glück, nicht nur Aretha, sondern auch einige der wichtigsten Menschen in ihrem Leben interviewen zu dürfen, denen ich gar nicht genug danken kann, darunter auch die Musikproduzenten Clyde Otis, Jerry Wexler sowie der Präsident von Arista Records, Clive Davis. Clyde Otis schrieb und produzierte mehrere von Arethas besten Songs in ihrer Zeit bei Columbia Records in den 1960er-Jahren. In den späten 60ern und frühen 70ern produzierte Jerry Wexler mit ihr einen Hit nach dem anderen. Und Clive Davis ist verantwortlich für Arethas unglaubliches Comeback in den 1980ern.
Jerry Wexler hat einmal gesagt, dass in Aretha immer eine gewisse Traurigkeit steckt. Als ich ihn bat, diese Aussage näher zu erläutern, antwortete er: »Es ist weder Laune noch Temperament, es ist einfach Traurigkeit.« Ich versuchte, die Ursache dieser Traurigkeit zu ergründen.
Als ich glaubte, im Hinblick auf mehrere Aspekte ihres Privatlebens in eine Sackgasse geraten zu sein, öffneten sich plötzlich unerwartet einige Türen. So beschloss Ted White, Arethas erster Ehemann, nach 20 Jahren sein Schweigen zu brechen und mit mir zu reden. Zuerst war er sehr zurückhaltend, doch schließlich entspann sich ein Dialog, der mir Einblick in sein Leben mit Aretha – als ihr Ehemann und Manager – gewährte. Dafür gebührt ihm mein Dank.
Jede Geschichte hat mindestens zwei Seiten und die Informationen in diesem Buch bilden da keine Ausnahme. Mir wurde mehrfach Widersprüchliches berichtet und oft habe ich dann beide Positionen dargelegt in dem Bestreben, so objektiv wie möglich zu sein. Da Kontroversen und Gerüchte häufig einen Kern Wahrheit enthalten, habe ich mich bemüht, Arethas Leben von verschiedenen Blickwinkeln zu beleuchten, im Bestreben, zum ersten Mal die wahre Aretha Franklin zu präsentieren.
KAPITEL EINS
QUEEN OF SOUL
Es ist ein heißer Julinachmittag des
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