Aretha Franklin - Queen of Soul
sie die meisten Fächer mochte. »Meine Lieblingsfächer waren Gesundheitslehre, Naturwissenschaften, Kunst und Mittagessen!«, gibt sie lachend zu Protokoll. »Ich war eine gute Schülerin, lauter As und Bs, ein paar Cs, hin und wieder mal ein D. Ich wurde häufig aus dem Unterricht geholt, weil man mich im Auditorium brauchte, um die Kinder zu unterhalten, die mitten im Unterricht Ball spielten oder sich prügelten. Sie holte mich immer, wenn ich gerade im Sportunterricht war, sodass ich da in Sportklamotten reingehen musste, mit den Shorts und der Bluse, auf die man seinen Namen aufsticken musste. Das habe ich gehasst. Am liebsten hätte ich zusammen mit den Kindern selber ein bisschen rumgeschrien, aber ich musste ja singen. Das waren meine ersten Erfahrungen mit einem schwierigen Publikum.«
Neben dem Singen liebte Aretha es, Rollschuh zu fahren und sich im Fernsehen Boxkämpfe anzusehen. Für ihre Auftritte als Solosängerin im Kirchenchor bekam sie 15 US-$ pro Woche. So sparte sie langsam das Geld an, um sich ihre eigenen heißersehnten Rollschuhe zu kaufen. »Das erste Paar Rollschuhe, das ich mir kaufte, hatte Raybestos-Räder und kostete ungefähr 30 US-$ pro Rad«, erinnert sie sich. »Dafür musste ich ganz schön lange sparen.« (Die Firma Raybestos war damals berühmt für ihre qualitativ hervorragenden Bremsbeläge und stellte für eine kurze Zeit auch sündhaft teure Rollschuhräder her.) Der beliebteste Treffpunkt zum Rollschuhfahren war die nahe gelegene Arcadia Rollschuhbahn auf der Woodward Avenue. Alle Kinder aus der Nachbarschaft fuhren dort stundenlang zu den neuesten Hits herum. »Ich lebte praktisch auf der Rollschuhbahn!«, berichtet Aretha.
Ihr lebenslanges Interesse am Boxsport begann schon im Kindesalter. Stundenlang saß sie mit ihrem Vater vor dem Fernseher, schleckte Eis und sah sich die Kämpfe an. »Ich habe seit meiner Kindheit eine Schwäche für Boxer«, erklärt sie. »Ich verfolgte die Karrieren von Joe Louis, Rocky Marciano, Johny Bratton, Kid Gavilan, Muhammad Ali und Joe Frazier. Einmal lernte ich Ray Robinson in der Hollywood Bowl kennen, das war ein echtes Highlight. Als Kind fand ich ihn unheimlich attraktiv.«
Auf ihrem eigenen Gebiet, dem Gospelgesang, entwickelte sie ihre ganz persönliche, expressive K.-o.-Technik, mit der sie bereits im Alter von 14 Jahren die Gemeinde der New Bethel Baptist Church verblüffte. In ihrer Stimme schwang eine Lebensweisheit mit, die eher zu einer wesentlich älteren Frau gepasst hätte. Bald wurde die Kirche zu klein für ein solches Talent – es war Zeit, dieses Stimmwunder dem Rest der Welt zu präsentieren.
In den späten 1940er-Jahren hatte Reverend Franklin begonnen, seinen Wirkungskreis durch Gastauftritte und Aufzeichnungen über Detroit hinaus auszudehnen. Den Anfang machte das Radio: Ein Detroiter Radiosender bat Franklin, seine Predigten für Menschen, die nicht zur Kirche kommen konnten, ausstrahlen zu dürfen. Eine davon hörte der örtliche Plattenproduzent Joe Von Battles. Er war davon so überzeugt, dass er die Predigten auf Schallplatte aufnahm – zunächst auf seinem eigenen Plattenlabel JVB Records und später in Lizenz für Chess Records, wodurch sie landesweit Verbreitung fanden. Laut Aretha hinterließ ihr Vater ein umfangreiches Vermächtnis auf Vinyl: »Bei Chess Records erschienen etwa 50 Platten, also 50 Predigten. Vor den Predigten wurde meistens ein Choral gesungen.«
Da die Aufnahmen landesweit vertrieben wurden, dauerte es nicht lang, bis Reverend Franklins Predigten von religiösen Radiosendern in ganz Amerika ausgestrahlt wurden. Dies ermöglichte es ihm, eine Tourneeshow auf die Beine zu stellen, mit einem Chor, berühmten Gospelsängern und natürlich dem wortgewaltigen Reverend Franklin als Mittelpunkt.
Die Schulsommerferien verbrachte der Teenager Aretha nun auf Tour mit der Show ihres Vaters. Dabei wurde sie Zeugin von Trinkgelagen, wilden Partys und dem Rassismus der Südstaaten. Während ihr Vater mit dem Flugzeug von Stadt zu Stadt und Auftritt zu Auftritt reiste, fuhren Aretha und ihre Geschwister mit dem Rest der Truppe per Bus durchs Land.
Über rassistisch motivierte Vorurteile sagt sie: »Im Süden begegnete so etwas meinem Vater und mir gelegentlich, meist in Restaurants mit getrennten Räumen für Schwarze und Weiße. Heutzutage [in den 1980ern] ist der Rassismus subtiler, aber er existiert noch.«
Ihr Bruder Cecil ergänzt: »Wenn man acht oder zehn Stunden unterwegs war
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