Aretha Franklin - Queen of Soul

Jahres 1985, wir befinden uns in einem Vorort von Detroit. Aretha Franklin sitzt neben mir auf einer riesigen dunkelbraunen Garnitur aus Veloursleder, die sich quer durch ihr großes, modern eingerichtetes Wohnzimmer zieht. Durch die Glasschiebetüren kann ich in den von Bäumen gesäumten Garten blicken, wo eine leichte Sommerbrise die Wasseroberfläche des Swimmingpools kräuselt.
    Aretha raucht eine Mentholzigarette der Marke Kool und nippt hin und wieder an ihrem Ginger Ale. Ich kann es kaum glauben, dass ich nun neben der Frau sitze, deren Stimme mich seit Langem mit Bewunderung erfüllt – und dabei zusehe, wie sie Kette raucht. Seit Jahren raucht Aretha zwei Packungen pro Tag. Sie ist dem Nikotin verfallen.
    An den cremefarbenen Wänden hängen gerahmte Goldene Schallplatten und verschiedene Urkunden. Hinter uns steht ein schwarzer Flügel, auf dem sich mehrere kleine Goldtrophäen um eine eindrucksvolle Frauenbüste scharen. Die goldenen Grammophonskulpturen bilden nur eine Auswahl ihrer vielen Grammys und die Büste stellt die ägyptische Pharaonengattin Nofretete dar, Arethas historische Lieblingsfigur.
    Auf einem Regal neben dem Kamin erkenne ich zwei Obelisken aus Plexiglas – American Music Awards (neben dem Grammy der höchste Musikpreis in den USA). An der gegenüberliegenden Wand des mit ebenfalls cremefarbenem Teppichboden ausgelegten Raums ist ein modernes Entertainment Center mit Stereoanlage und einem Fernseher mit Großbildschirm aufgebaut, auf dem Aretha sich ihre Lieblings-Seifenopern ansieht. Frische Blumengestecke sind kunstvoll in Vasen arrangiert und an einer der Wände hängt ein aktuelles Porträt von Aretha.
    Ihre manikürten Fingernägel spielen mit der goldenen Kette an ihrem Hals, während sie sich darauf einstimmt, ihre lange und ereignisreiche Karriere im Showgeschäft Revue passieren zu lassen. Sie trägt einen elegant-legeren blauen Hosenanzug und an ihrer Hand glitzert ein großer, rechteckiger Art-Deco-Ring mit Dutzenden von Diamanten.
    Aretha zieht ein letztes Mal an ihrer Zigarette und drückt sie dann in dem großem Aschenbecher aus, der vor ihr auf dem Couchtisch steht – das Zeichen, dass sie nun bereit ist, eines ihrer seltenen Interviews zu geben.
    Nach 30 Jahren als Sängerin ist Aretha Franklin weltweit eine Legende. In den USA wie in Deutschland nennt man sie die »Queen of Soul«, in Italien »La Regina del Soul«, in Frankreich »Aretha Franklin La Magnifique«, doch für ihre Millionen von Fans ist sie einfach »Aretha«. Sie hat mehr Grammys gewonnen und mehr Top-Ten-Hits gehabt als jede andere weibliche Künstlerin in den Sparten Rock’n’Roll, Pop, Jazz, Soul oder Gospel und ist damit die erfolgreichste Sängerin aller Zeiten.
    Schon als kleines Mädchen sang sie im Chor der Kirche ihres Vaters. »Ich liebe Gospelmusik!«, betont sie in unserem Interview. »Gospelmusik bedeutet mir alles. Sie gehört zu meinen Anfängen, da ich aus einer religiösen Familie komme.« Als sie in den späten 60er-Jahren zum Star wurde, verkörperte Aretha mit Herz und Seele den Sound der Soulmusik. Sie wurde zum Symbol eines neuen schwarzen Selbstbewusstseins in Zeiten der Bürgerrechtsbewegung, ihre Lieder drückten ungezügelte Leidenschaft und Liebesleid aus.
    Aretha strahlt, besonders als sie mir ihre Erfolgsjahre bei Atlantic Records in den 1960er- und 1970er-Jahren schildert. »Jerry Wexler nahm mich bei Atlantic unter Vertrag«, erzählt sie mir an diesem Nachmittag stolz, »und natürlich verbrachte ich viele, viele wunderbare Tage im Studio mit ihm. Jerry hat so viele Hits für mich produziert, einer davon war ›Respect‹. Dann war da [Co-Produzent] Arif Mardin, den ich sehr schätze und mit dem ich so gerne arbeite. Wenn Arif und ich zusammenarbeiten, entstehen magische Momente. Dann gab es noch den Tonmeister Tommy Dowd, den ich für einen der Besten seines Fachs halte. Der Mann kann im Studio wahre Wunder vollbringen.«
    Arethas Image wurde größtenteils von den Songs geprägt, mit denen sie erfolgreich war. Sie ist die kompromisslose »Erdmutter«, standfest und stark. Ihr Gesang ist schonungslos ehrlich und voller Emotionen, ihre Stimme unverkennbar rein, ungehemmt und aufwühlend. Ihr Name ruft das Bild einer Überlebenden hervor, die »Respect« verlangt, ihrem Kerl drohend zuruft, dass er sein Hirn einschalten soll (»Think«), bevor er eine andere ansieht, oder die einlädt zur Fahrt auf dem »Freeway of Love«. Durch erschütternde persönliche