Arkadien 01 - Arkadien erwacht
war. Dann musste Pantaleones zweiter Spitzel eine hohe Position im Carnevare-Clan innehaben – hoch genug, um Cesares Nachricht zu unterschlagen.
Oberhalb des Monuments überquerte Rosa eine schmale Straße aus brüchigem Asphalt, dann stand sie vor der Außenmauer des alten Gehöfts. Gebückt tauchte sie im Schatten unter, als in der Ferne Lärm ertönte. Rhythmisches Wummern wurde rasch lauter.
Vorsichtig lugte sie um die Ecke. Unter ihr erstreckte sich die triste Weite des Monuments.
Am östlichen Himmel, golden angestrahlt von der aufgehenden Sonne, näherte sich ein Helikopter.
Der Spitzel
D er Hubschrauber landete auf der freien Fläche am Rand des Betonlabyrinths. Die Männer, die dort die Vorbereitungen für die Feier trafen, hielten inne, als Luftwirbel und Staub über den Hang peitschten.
Rosa befand sich etwa zweihundert Meter Luftlinie entfernt, weiter oben im Hang. Von unten konnte niemand sie entdecken. Sie spürte ihren Puls am Hals, so heftig hämmerte ihr Herz.
Die Seitentür des Helikopters wurde aufgestoßen. Cesare Carnevare stieg aus, begleitet von drei Leibwächtern. Alle trugen schwarze Anzüge. Einer der Männer, die am Monument gearbeitet hatten, eilte Cesare entgegen.
Rosa zog den Kopf zurück und lehnte sich einen Moment lang an die Mauer. Selbst wenn Cesares Befehl, nach ihr Ausschau zu halten, seine Leute in Gibellina nie erreicht hatte, würde es nicht mehr lange dauern, ehe jemand nach Iole und Alessandro sehen würde.
Sie lief hinter einem verlassenen Stall bergauf, bis sie vorsichtig um eine Ecke zur Vorderseite des heruntergekommenen Bauernhauses blicken konnte. Neue Fenster waren in die Fassade eingesetzt worden.
Zwei Geländewagen parkten vor dem Eingang. Bewacher waren keine zu sehen, aber ganz sicher konnte sie nicht sein. Dennoch lief sie los, erst in den Schutz des einen Wagens, dann hinüber zum anderen. Zwischen ihr und der Tür des Bauernhauses lagen jetzt noch zehn Meter.
Sie setzte alles auf eine Karte und rannte geduckt über die offene Fläche. Hinter einem schmutzigen Fenster brannte Licht. Sie ging darunter in die Hocke und hörte im Inneren Männerstimmen, die sich gedämpft unterhielten. Mindestens zwei.
In der Trommel ihres Revolvers befanden sich noch vier Kugeln. Sie war nicht sicher, was sie tun sollte. Sie wusste nur, dass Alessandro in diesem Gebäude festgehalten wurde. Irgendetwas musste sie unternehmen.
Im Haus klingelte ein Handy. Das Gespräch der Männer brach ab. Kurzes Schweigen, dann sagte einer hinter dem Glas: »Nein, hier ist alles in Ordnung. Keine Probleme. Aber Gino wird sich draußen mal umschauen.«
»Warum ich?«, knurrte der andere, aber gleich darauf scharrten Stuhlbeine.
Rosa stürmte los. Zurück hinter einen der Geländewagen. Panisch schaute sie sich nach einem besseren Versteck um und rollte sich im letzten Moment unter das Fahrzeug. Auf dem Bauch blieb sie im Staub liegen, die Waffe in beiden Händen, und blickte zum Haus hinüber.
Der Eingang wurde geöffnet, schwacher Lichtschein fiel heraus auf den Vorplatz. Ein Mann trat ins Freie, in einer Hand eine Maschinenpistole, in der anderen eine Taschenlampe.
Rosa bewegte sich nicht. Hörte auf zu atmen.
Langsam überquerte er die freie Fläche. Seine Schuhe verschwanden hinter einem der hohen Reifen. Sie konnte ihn jetzt nicht mehr sehen, obwohl er keine anderthalb Meter von ihr entfernt stand.
»Irgendwas Ungewöhnliches?«, erklang es vom Eingang her. Der zweite Mann erschien in der Tür.
»Kein Mensch.«
»Geh mal ums Haus und sieh dich um.«
»Wovor haben die plötzlich solche Angst? Bullen?«
Der Mann am Haus zuckte die Achseln. »Wir sollen die Augen offen halten, haben sie gesagt. Signore Carnevare kommt gleich rauf. Er will mit dem Jungen sprechen.«
Gino, der Mann zwischen den Autos, ächzte. »Okay, ich dreh mal ’ne Runde. Lass mir was von den cannoli übrig.«
Kaum war er hinter der Hausecke verschwunden, als eine dritte Stimme von der Auffahrt her rief: »Alles klar bei euch?«
Rosa traute ihren Ohren nicht.
Der Mann im Eingang leuchtete dem Neuankömmling mit einer Lampe entgegen. »Behauptet irgendwer was anderes? Warum glaubt eigentlich jeder, dass wir die Sache nicht im Griff haben?« Mürrisch machte er einen Schritt vor die Tür. »Was willst du?«
»Signore Carnevare schickt mich. Ich soll Alessandro zu ihm bringen, runter zum Helikopter.«
»Gerade haben sie noch gesagt, er kommt zu uns rauf.«
»Dann hat er es sich jetzt anders
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