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Arkadien 01 - Arkadien erwacht

Titel: Arkadien 01 - Arkadien erwacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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als Rosa unter ihnen hindurchlief.
    Sobald sie das Handy ans Ohr hob, konnte sie Pantaleones Atem hören.
    »Ich bin im Haus«, raunte sie. »Kurz vor Alessandros Tür.«
    Sie misstraute ihren eigenen Gefühlen, war hin- und hergerissen zwischen der verwirrenden Nähe, die sie gespürt hatte, als Alessandro in Panthergestalt neben ihr am Ende der verlassenen Autobahn gesessen hatte, und ihrem Zorn auf ihn, als er sie am Palazzo zurückgelassen hatte wie irgendein Dummchen, das er in einer Bar aufgelesen hatte.
    Lautlos erreichte sie das Ende des Korridors. Der Balken war schwer und sie musste Revolver und Handy am Boden ablegen, um ihn mit beiden Händen aus den Verankerungen zu heben. Das Schaben von Holz auf Holz war viel zu laut in der Stille.
    Sehr, sehr vorsichtig lehnte sie den Riegel gegen die Wand. Nahm den Revolver wieder auf, ließ das Handy noch liegen. Legte eine Hand auf den altmodischen Türknauf.
    »Alessandro?«, flüsterte sie, während sie ihn drehte. »Ich bin’s. Rosa.«
    Hinter ihr auf der Treppe ertönten Schritte.
    Dann leiser Gesang.

Blut fließt
    S ie ließ den Türknauf wieder los und wirbelte herum. Hielt den Revolver mit beiden Händen fest, die Arme ausgestreckt. Zielte den Gang hinunter, so als wüsste sie, was sie tat. Tatsächlich zitterte sie mehr, als dass sie zielte.
    Ein Mann kam die Treppe herauf. Er erreichte den oberen Absatz. In seinen Händen dampfte ein Glas, randvoll mit heißer Milch. Noch hatte er sie nicht bemerkt, weil er bemüht war, nichts zu verschütten. Er wechselte das Glas von einer Hand in die andere, um sich nicht die Finger zu verbrennen.
    Er war noch fünf Meter von Rosa entfernt, als er den Blick hob.
    Das Glas zerschellte am Boden. Milch spritzte über das schmutzige Linoleum.
    »Ein Ton und ich schieße.« Hoffentlich bemerkte er nicht, wie sehr der Revolver in ihren Händen bebte.
    Der Mann kam näher.
    »Bleiben Sie stehen!«
    Jetzt gehorchte er.
    »Haben Sie eine Waffe dabei?«
    Langsam schlug er mit einer Hand seine Jacke auf und zeigte ihr das Schulterholster.
    »Ziehen Sie den Reißverschluss der Jacke zu.« Ihm zu befehlen, die Pistole herauszuziehen und am Boden abzulegen, wagte sie nicht. Sie wusste nicht, wie flink er war.
    »Ganz vorsichtig«, sagte sie.
    Er war anderthalb Köpfe größer als sie. Und doppelt so breit. »Du bist das Alcantara-Mädchen.«
    »Die Jacke zu!«
    »Okay.« Er befolgte ihre Anweisung ohne irgendwelche Tricks. Sein Gesicht war nicht unsympathisch, fast humorvoll.
    Schließlich setzte er sich wieder in Bewegung, die Arme seitlich erhoben.
    »Sie sollen stehen bleiben.«
    »Und dann?«
    Berechtigte Frage. Der Korridor war zu eng, um ihn an sich vorüber- und ins Zimmer vorausgehen zu lassen. In einem der anderen Räume konnte sie ihn auch nicht einsperren, weil er durch die Fenster die Wächter im Freien alarmieren würde.
    »Weißt du«, sagte er leise und machte noch einen Schritt auf sie zu, »es gibt nur eine einzige Möglichkeit. Du musst mich erschießen.«
    Sie zielte auf sein Gesicht.
    »Bringst du das fertig?«, fragte er.
    »Ich schieße Ihnen in den Bauch. Wenn Sie nicht verbluten, bringen die Schmerzen Sie um.« Das hatte sie mal in einem Western gehört.
    »Dann solltest du besser auch auf meinen Bauch zielen .« Er nahm die linke Hand herunter und klopfte sich auf die Jacke. Ihre Augen folgten instinktiv seiner Bewegung. Noch in derselben Sekunde begriff sie, dass sie einen Fehler gemacht hatte.
    Seine rechte Hand griff geschwind hinter seinen Rücken und zog ein langes Jagdmesser hervor. Er musste es hinten am Gürtel getragen haben.
    Ohne ein Wort schnellte er auf sie zu.
    Sie drückte ab. Die Schalldämpfung schluckte das Geräusch bis auf ein Pfeifen.
    Der Mann taumelte wie nach einem harten Faustschlag, stolperte einen Schritt zurück und prallte mit dem Rücken gegen die Korridorwand. Nässe glänzte an seiner linken Schulter, als er sich ihr mit schmerzverzerrtem Gesicht wieder zuwandte.
    Ihre Hände zitterten noch stärker. Sie konnte nichts dagegen tun.
    Er kam erneut auf sie zu. Das Messer war so lang wie ihrUnterarm, die Klinge schimmerte im Schein der nackten Glühbirne.
    Plötzlich war jemand neben ihr. Eine kühle Hand berührte ihre, nahm sanft die Waffe aus ihren Fingern. Sie ließ es geschehen. Der Mann sah ungläubig an Rosa vorbei.
    »Alessandro?«, flüsterte sie.
    Aber er war es nicht. Stattdessen stand da Iole, zielte seelenruhig mit dem Revolver auf den Mann – und drückte

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