Arkadien 01 - Arkadien erwacht
es tot?«
»Es hat niemals richtig gelebt, schätze ich.«
»Im Fernsehen hat’s jedenfalls nicht viel verpasst.«
Rosa schenkte ihr ein Lächeln, das Iole schüchtern erwiderte.
Ein leises Signal ertönte. »Entschuldige«, sagte Rosa und zog das Handy aus der Hosentasche. Nach ihrer Ankunft in der Klinik hatte sie die Richterin angerufen. Quattrini und ihre Leute waren jetzt auf dem Weg hierher, von Catania nach Palermo, quer über die ganze Insel. Mit dem Helikopter werde sie anderthalb Stunden brauchen, hatte Quattrini gesagt, höchstens zwei.
Die möglichen Folgen dieses Anrufs interessierten Rosa im Augenblick nicht. Sie wusste nur eines mit Bestimmtheit: Für den Mordbefehl gegen Alessandro würde sie Pantaleone ans Messer liefern. Das hatte sie auch am Telefon zu Quattrini gesagt: »Ich stehe zu unserer Abmachung. Wenn Sie hier sind, reden wir. Aber halten Sie uns bis dahin die Polizei vom Hals. Können Sie das veranlassen?«
Das könne sie, hatte Quattrini versichert. Unter der Bedingung, dass Rosa und Iole sich nicht von der Stelle rührten.
»Okay«, hatte Rosa gesagt.
»Kann ich mich diesmal auf dich verlassen?«
»Ja. Können Sie.«
»Ich möchte, dass du es schwörst.«
»Ich könnte dabei die Finger kreuzen und Sie würden’s nicht mal merken.«
»Schwöre beim Leben deiner Tante.«
»Was?«
»Du hast mich verstanden. Beim Leben von Florinda Alcantara.«
Nach kurzem Zögern hatte sie geantwortet: »Ich schwör’s. Wenn ich lüge, soll Florinda in der Hölle schmoren … Nur dass die sie haben wollen, kann ich Ihnen nicht versprechen.«
Jetzt, eine Stunde später, blickte sie starr auf ihr Handy.
Iole merkte, dass etwas nicht stimmte. »Was ist los?«
Rosa gab keine Antwort. Ihre Fingerspitze schwebte über der Taste, aber noch zögerte sie.
»Rosa?«
»Eine SMS«, sagte sie. »Von meiner Schwester. Von Zoe.«
»Was schreibt sie?«
»Sie wird mir wohl Vorwürfe machen.«
»Aber du hast sie noch gar nicht gelesen.«
Rosa erhob sich. »Warte hier, ja?«
Iole deutete auf den Wachmann. »Der lässt uns eh nicht abhauen. Wenn man jemanden mit Kopfschuss im Krankenhaus abliefert, kann man nicht einfach so nach Hause gehen.«
»Eine Minute, okay?« Rosa ließ sie auf den Plastikstühlen zurück und ging den weißen Korridor hinunter. Der Wachmann in seiner dunkelblauen Uniform wollte ihr den Weg versperren, aber Rosa deutete auf die nahe Toilettentür. Er nickte.
Sie schloss sich in einer der Kabinen ein. Es war Zoes Nummer, kein Zweifel. Widerstrebend rief sie die Nachricht ab.
brauchen hilfe , stand da, aber sie musste es dreimal lesen, bis sie es wirklich verstand. sind gefangene weiß nicht wo autobahnende tiefe schlucht. Und zuletzt: geht uns nicht gut sind allein keine wächter frag alessandro vielleicht weiß er was komm und hilf uns
Wie betäubt starrte sie auf die Buchstaben. Die Nachricht sah aus wie jede andere. Schwarze Schrift auf weißem Feld.
Hatte Cesare Zoe und Florinda auf der Rückreise vom Tribunal abfangen lassen? Um einen Bruch des Konkordats zu verschleiern, musste er sie beseitigen. Alle, die ihren Aufenthaltsort gekannt hatten, waren mit großer Wahrscheinlichkeit tot.
Sie brauchte Alessandro nicht, um den Ort zu erkennen. Das Ende der unvollendeten Autobahn. Die tiefe Felsenschlucht. Cesare musste geplant haben, sie in einer der Grabkammern der Sikuler verschwinden zu lassen, deren Eingänge die Felsen des Canyons überzogen. Einmal darin gefangen, würde es so gut wie unmöglich werden, sie zu finden. Aber falls sie sich nach wie vor im Freien befanden, war es noch nicht zu spät.
Sie konnte nicht auf Quattrini warten. Konnte nicht einfach dasitzen und nichts tun.
Bemüht, sich nichts anmerken zu lassen, ging sie an dem Wächter vorbei zu ihrem Platz. Leise redete sie dort mit Iole.
Bald darauf bekam das Mädchen einen hysterischen Anfall. Schreiend riss Iole die Tür zum Operationstrakt auf, rief immer wieder Fundlings Namen und stürmte den Gang entlang.
»Hey!«, brüllte der Wächter und lief fluchend hinterher.
Rosa wartete zwei, drei Sekunden, dann sprang sie auf und eilte zügig in die andere Richtung, immer schneller, bis sie fast rannte.
Zwei Minuten später lenkte sie den schwarzen Jeep vom Parkplatz, bog auf die A 20 nach Westen und jagte mit Vollgas ans Ende der Welt.
Das Geheimnis
K urz vor dem Ziel bekam sie erneut eine SMS.
florinda stirbt mach schnell
Rosa versuchte zurückzurufen, aber wieder meldete sich nur die
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