Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Arkadien 01 - Arkadien erwacht

Titel: Arkadien 01 - Arkadien erwacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
Vom Netzwerk:
stellen und dennoch keinen Schritt zurückzuweichen.
    »Du musst Rosa sein«, sagte Cesare Carnevare.
    Warum kannte er ihren Namen?
    »Willkommen zu Hause.« Seine Stimme war tief und angenehm, ganz anders, als sie erwartet hatte.
    Sie nickte ihm zu und ging weiter.
    Blieb vor Alessandro stehen.
    Reichte ihm ihre Hand – und griff prompt an seiner vorbei, weil sie dabei in seine Augen sah, in dieses unerforschliche Tiefseegrün, das ihr auf dem sonnengebleichten Friedhof, zwischen all dem Schwarz der Trauergäste, noch lebhafter erschien. Ihre Hände fanden dennoch zueinander, nach einem kurzen, beinahe verlegenen Augenblick, den hoffentlich niemand außer ihnen bemerkt hatte.
    »Es tut mir leid«, sagte sie.
    Sie biss sich auf die Unterlippe und wollte gerade weitergehen, als er lächelte – sie am Grab seines Vaters anlächelte.
    »Ich hatte gehofft, dass du kommst«, sagte er leise.

Das Buch des Sklaven
    S ie schlenderten zu zweit zwischen den Gräbern entlang, abseits der anderen Trauergäste. Nach den Beileidsbezeugungen gingen die meisten in Richtung Friedhofsausgang. Dort war im Schatten eines hohen Steinkreuzes ein Buffet errichtet worden, livrierte Kellner reichten Champagner von funkelnden Silbertabletts. Der Pfarrer, der die Trauerprozession angeführt hatte, stand inmitten der Clanoberhäupter und beteiligte sich lebhaft an ihren Gesprächen.
    Zahlreiche Blicke folgten Rosa und Alessandro durch das Gewirr der Grabmäler, während sie sich von den anderen entfernten. Florinda ließ sie nicht aus den Augen und auch Cesare sah immer wieder zu ihnen herüber. Zoe stand allein mit einem Champagnerglas im Schatten des Torbogens und verbarg hinter ihrer Sonnenbrille, wohin und auf wen sie gerade blickte.
    »Sie werden sich das Maul über uns zerreißen«, sagte Alessandro. »Ich hätte dich davor warnen müssen.«
    »Lass sie ruhig.«
    »Das macht dir nichts aus?«
    »Sollte es denn?« Sie gab sich die Antwort selbst mit einem Kopfschütteln. »Ich weiß viel zu wenig über all das hier, um mir ernsthaft Gedanken darüber zu machen. Ich kenne keinen von diesen Menschen. Sollen sie über mich denken, was sie wollen.«
    Und das war die Wahrheit. Die anderen interessierten sie nicht. Nur vor ihm war sie auf der Hut. Aber zugleich genoss sie den Hauch von Risiko, der in dieser Begegnung mitschwang. Im letzten Jahr hatte sie in New York eine Therapeutin besuchen müssen, die ihr auf den Kopf zugesagt hatte, dass sie in der ständigen Erwartung von Gefahrensituationen lebte; um den Faktor des Unerwarteten auszuschalten und nicht die Kontrolle zu verlieren, führte Rosa viele dieser Gefahren selbst herbei. Überzogene Aggression. Der Diebstahl von Dingen, die ihr nichts bedeuteten. Und nun also, als vorläufige Krönung ihrer Karriere als Risikojunkie, dieser Spaziergang mit Alessandro Carnevare über den Friedhof, unter den Augen aller verfeindeten Mafiaoberhäupter der Insel.
    »Am Flughafen«, sagte Alessandro, »da hab ich irgendwas Falsches gesagt. Etwas, das dich wütend gemacht hat.«
    »Ich war nicht wütend und du hast nichts Falsches gesagt.«
    »Doch, hab ich. Und ich wüsste gern, was es war. Damit ich denselben Fehler nicht noch mal begehe.«
    »Ich sag doch, es war nichts.« Sie war wirklich gut darin, vielversprechende Gespräche im Keim zu ersticken.
    Alessandro gab nicht auf. »Immerhin weißt du jetzt, warum ich zurückgekommen bin. Und du?«
    »Ferien«, log sie.
    »Deine Schwester lebt seit zwei Jahren hier. Wie lange sollen denn deine Ferien dauern?«
    »Ist das ein Versuch, mich auszuhorchen?«
    »Reine Neugier.«
    »Deshalb wolltest du mit mir sprechen?«
    Er seufzte leise und ging mit ihr vom Hauptweg in eine schmale Gasse zwischen Wänden aus marmornen Grabfächern. Fünf, sechs lange Reihen aus Rechtecken übereinander, darauf gerahmte Schwarz-Weiß-Fotos der Toten, ihre Namen, die Geburts- und Todesdaten. An einigen waren Blumen und Gestecke befestigt.
    »Eigentlich möchte ich dir etwas geben«, sagte er, als sie zwischen den Marmorwänden aus dem Blickfeld der übrigen Trauergäste verschwanden. »Ein Geschenk. Und dann wollte ich dich einladen.«
    »Mich –«
    »Erst das Geschenk.« Er zog etwas aus der Tasche seines Jacketts.
    »Oh«, sagte sie ohne jeden Enthusiasmus. »Ein Babybuch.«
    Es war winzig, kleiner als eine Zigarettenschachtel, mit ledernem Einband und vergilbtem Seitenschnitt.
    »Immerhin hat es den Vorteil, dass es ein Leben lang so niedlich bleibt«, sagte er. »Und

Weitere Kostenlose Bücher