Arkadien 01 - Arkadien erwacht
Ganz-sicher-nicht-meine-Freunde auf eine einsame Insel irgendwo vor der Küste fahre?«
»Nicht zu vergessen die protzige Angeberjacht, die uns dorthin bringen wird. Auch so ein Spielzeug meines Vaters.« Er schob sich das wirre Haar aus der Stirn, aber es fiel sofort wieder zurück. »Und obendrauf gebe ich dir die Garantie, dass sich ein paar aus dem Haufen nach den ersten zehn Minuten gründlich danebenbenehmen werden, vermutlich die eine oder andere verbotene Substanz konsumieren und früher oder später aufs Deck kotzen.« Er lächelte. »Deine Tante wird es dir natürlich verbieten.«
Sie neigte den Kopf, sah ihn aufmerksam an, dann an ihmvorbei zu Florinda, die ihre Position gewechselt und sich die Sonnenbrille ins Haar geschoben hatte, um mit Adleraugen zu ihnen in die Gräbergasse zu starren.
»Du wirst dich aus dem Haus schleichen müssen.« Er folgte ihrem Blick. »Wenn du willst, kann Fundling dich morgen abholen.«
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Die Abenddämmerung zerdehnte die buckligen Schatten der Bäume. Während die Bergkuppen noch von der letzten Sonne beschienen wurden, goldener Zuckerguss auf den Pinienwipfeln, stiegen längst die Schatten der Nacht aus dem Innenhof des Palazzo und den stillen Olivenplantagen.
Rosa saß mit angezogenen Knien im offenen Fenster ihres Zimmers und sah hinaus. Zwei Stockwerke unter ihr befand sich das Glasdach des Palmenhauses. Die Scheiben waren von innen beschlagen, nur ein diffuser Lampenschimmer glomm durch ein Gewirr von Blättern und Zweigen. Palmen wuchsen auf Sizilien auch im Freien. Was züchtete Florinda dort unten? Vielleicht Orchideen?
Noch im Wagen, während der Rückfahrt, hatte Florinda versucht Rosa über ihr Gespräch mit Alessandro auszuquetschen. Rosa hatte erzählt, dass sie ihm am Flughafen begegnet war, dass er sie wiedererkannt hatte und offenbar vorhatte, über den alten Familienzwist hinweg Freundschaft mit ihr zu schließen. Sie wusste selbst, wie das klang, und es amüsierte sie, dass die Reaktion der beiden haargenau dem entsprach, was sie erwartet hatte. Florinda witterte ein Komplott ihres Erzfeinds Cesare, während Zoe die große Schwester herauskehrte und sie von oben herab vor Alessandros schlechtem Einfluss warnte. Das Ganze aber machte Rosa weniger wütend als schläfrig. Sie schob es auf den Jetlag, den sie noch immer nicht ganz überwunden hatte. Und während die beiden sichereiferten, war sie einfach weggedöst und hatte den Großteil der Fahrt verschlafen.
Mit keinem Wort erwähnte sie die Insel.
Stattdessen hatte sie abgewartet, bis Florinda sich ein Bad einließ, und war erneut ins Arbeitszimmer gegangen. Sie fuhr den Rechner herauf, in der Absicht, mehr über diese Isola Luna herauszufinden und vielleicht noch zwei, drei von den Artikeln zu lesen, für die am Morgen die Zeit nicht mehr gereicht hatte. Zudem hatte sie sich vorgenommen, Tano Carnevares Namen zu googeln.
Doch auf dem Desktop erschien ein neues Eingabefenster und verlangte ein Passwort. Florinda musste entdeckt haben, dass sie am Morgen den Computer benutzt hatte; sie hatte Vorkehrungen getroffen, damit es ohne ihr Einverständnis kein zweites Mal dazu kam. Wütend schaltete Rosa den Rechner wieder aus, wünschte ihm von Herzen Viren auf die Festplatte und schlenderte hinaus auf die Panoramaterrasse an der Westseite des Palazzo.
Sie umrundete das Schwimmbecken, fischte eine zappelnde Motte aus dem Wasser und betrat die Ausbuchtung der Terrasse, in die ein Whirlpool eingelassen war. Von hier aus konnte man den gesamten Hang überblicken, die Baumkronen und die beleuchtete Auffahrt des Anwesens, die sich zwei Kilometer lang von der Landstraße 117 durch den Pinienwald und die Olivenhaine herauf zum Palazzo schlängelte. Die Sicht reichte aber noch weiter, hinaus in das gelbbraune Hügelland im Westen und Norden. Am Horizont flimmerten weit entfernt die Lichter einer kleinen Stadt.
Rosa hatte am Geländer gelehnt, auf das Spiel des Abendwinds in den Bäumen gelauscht und nachgedacht. Erst nach einer Weile war ihr klar geworden, dass sie dabei Die Fabeln des Äsop in der Hand hielt, gedankenverloren darin blätterte wie in einem Daumenkino und die Melodie von My Death summte.
Schließlich hatte sie sich in ihr Zimmer zurückgezogen und das Buch in die obere Schublade ihres Nachtschranks gelegt. Vielleicht würde sie vor dem Einschlafen ein wenig darin lesen.
Auf dem Friedhof hatten sie ihre Nummern ausgetauscht, und seine war die erste, die sie in dem geschmacklosen goldenen Handy
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