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Arkadien 01 - Arkadien erwacht

Titel: Arkadien 01 - Arkadien erwacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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nicht aus Furcht; sicher waren sie schon viele Male Zeugen dieser Verwandlung geworden.
    Ein vierter Schuss peitschte durch das Amphitheater.
    Hinter Rosa schrie jemand auf. Einer der Kerle brach getroffen zusammen. Der andere brüllte wutentbrannt und rannte los. Ein dritter entfernte sich mit schleppenden Schritten. Dasmusste derjenige sein, den Rosa angefahren hatte. Sie wollten Lilia aus zwei Richtungen in die Zange nehmen.
    Der Tiger leckte sich genüsslich die Lefzen. Ein grausames Grollen stieg aus seiner Kehle auf. Eine seiner Pranken trat die zerrissenen Reste von Tanos Shorts in den Staub.
    Rosa zitterte vor Kälte und versuchte, die Verwandlung durch Willenskraft herbeizuführen. Aber ihre Panik lähmte sie noch immer, lähmte offenbar auch jenen Teil von ihr, den sie nicht kannte, der immer da gewesen und ihr doch vollkommen fremd war.
    Ein weiterer Schuss. Noch ein Schrei. Jemand polterte brüllend die Steinstufen der Tribüne herunter.
    Der Tiger fauchte wütend ins Dunkel empor. Rosa roch seinen Raubtieratem, ganz anders als der des Panthers, heiß wie ein Feuerstoß, und dann bemerkte sie noch etwas.
    Die Zufahrt des Amphitheaters wurde plötzlich in grellweißes Licht getaucht. Der Schatten des verkrüppelten Olivenbaums wanderte über den Boden, bog und verdichtete sich. Dann schwebten Scheinwerfer um die Ecke.
    Der Tiger riss den Kopf herum.
    Setzte zum Sprung an.
    Diesmal klang das Mündungsfeuer so nah an ihrem Ohr, dass sie sekundenlang taub war. Im Schein eines Flammenblitzes sah sie Lilia, mit schreckensweiten Augen, hinter ihr eine Gestalt, die sich auf sie stürzte – und den Tiger, dessen halber Schädel von einer Explosion aus Fell und Blut zerrissen wurde.
    Lilia schrie. Der Mann, der sie zu Boden warf, ebenfalls.
    Rosa konnte sich wieder bewegen, taumelte zurück.
    Der Tiger – Tano – sackte zusammen. Die Kugel hatte seine Stirn gesprengt, Teile seines Gesichts zertrümmert.
    Noch mehr Scheinwerfer, Licht erfasste die antiken Tribünen. Autotüren wurden aufgestoßen, Männer brüllten durcheinander.
    Am lautesten aber schrie Cesare Carnevare, als er aus demGegenlicht heranstürzte und am Leichnam des Tigers in die Knie brach.
    Der kleine Revolver wurde Lilia aus den Händen gerissen und landete vor Rosas Füßen. Sie bückte sich wie eine Schlafwandlerin und nahm ihn an sich.
    Cesare heulte auf, innerlich schon kein Mensch mehr, nur noch Bestie, setzte über seinen toten Sohn hinweg, sprengte mitten im Sprung seinen Anzug und stürzte sich als riesiger Löwe auf Lilia.

Der Racheschwur
    D er Löwe warf Lilia zu Boden, stand einen endlosen Augenblick über ihr – dann stieß sein aufgerissenes Maul auf sie nieder, biss zu, zerrte und riss und tobte.
    Ihre Gegenwehr erstarb. Binnen weniger Sekunden bewegte sich ihr Körper nur noch, wenn der Löwe ein ums andere Mal seine Fänge in ihr Fleisch grub und ihre leblosen Glieder schüttelte.
    Rosa bekam keine Luft mehr, während sie beobachten musste, was Cesare Lilia antat. Sie wich zurück, noch immer die Waffe in der Hand, legte zitternd auf den riesigen Löwen an und drückte ab. Die Kugel verfehlte ihn um mehr als eine Handbreit und schlug neben ihm in den Staub. Im Rückwärtsgehen stolperte Rosa über den Körper des niedergeschossenen Motorradfahrers, fing sich gerade noch und zog den Abzug abermals durch. Die Waffe klickte. Einmal, zweimal. Die sechs Patronen in der Trommel waren aufgebraucht.
    Im nächsten Augenblick wurde sie gepackt und umgerissen. Der Revolver flog in hohem Bogen davon, als ein harter Schlag ihren Arm traf. Jemand landete auf ihr, während die aufgebrachten Stimmen rund um sie lauter wurden. Plötzlich wimmelte es in der Arena nur so von Männern in dunklen Anzügen, umherhuschende Silhouetten im Gegenlicht der Scheinwerfer. Mehrere Fahrzeuge standen in einem Halbkreis am Rand des Platzes, die Lampen auf die Tribünen gerichtet.
    Der Löwe wütete weiter. Rosa konnte Lilia jetzt nicht mehr sehen, ihr Kopf wurde zu Boden gedrückt und der tote Motorradfahrer versperrte ihr gnädig die Sicht. Aber sie hörte die Laute, die Cesares Attacken verursachten, und im nächsten Moment schoss Erbrochenes durch ihre Kehle nach oben. Der Mann, der ihren Kopf festhielt, ließ angewidert los. Sie schaffte es gerade noch, das Gesicht zur Seite zu drehen.
    Verschwommen erkannte sie zwei Männer, die sich über den toten Tiger beugten. Einer schüttelte den Kopf. Allmählich verwandelte sich das Raubtier zurück in einen

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