Arkadien 01 - Arkadien erwacht
dann ist es der hier, oder?«
Er sah sie noch immer nicht an. »Ich kann dich nicht nach Hause bringen.«
»Was?«
»Du bist da nicht sicher.«
»Ich muss meine Schwester warnen!«
Er zog sein Handy aus der Hosentasche. »Ruf sie an. Erzähl ihnen, was du willst. Aber ich bringe dich nicht dorthin.«
Sie beugte sich vor, damit sie ihm ins Gesicht sehen konnte. » Natürlich tust du das!«
»Nein.«
Sie rang nach Worten, und dann brach all der Zorn aus ihr hervor, den sie während der letzten Minuten zurückgehalten hatte. Es war ihr egal, dass nicht er die Schuld an alldem trug. Es spielte auch keine Rolle, dass er sie gerettet und was er dafür geopfert hatte. Er war ein Carnevare. Er war einer von ihnen. Und er ließ nicht zu, dass sie ihrer Schwester zu Hilfe kam, wenn die sie brauchte.
»Dieses Mädchen, das Cesare getötet hat …«, fauchte sie, »ihr Name war Lilia … Sie hat meine Schwester geliebt. Verstehst du das? Zoe hat gerade den Menschen verloren, der ihr vielleicht am meisten im Leben bedeutet hat. Und Lilia hat sich für mich geopfert! Wie kannst du da glauben, dass –«
»Ich hätte das Gleiche getan«, fiel er ihr ruhig ins Wort. »Ich wäre da oben auf dem Berg für dich gestorben.«
Es verschlug ihr die Sprache. Raubte ihr für einen Augenblick nicht nur die Beherrschung, sondern schlichtweg die Fähigkeit, eine einzige weitere Silbe zu sprechen.
Nach endlosen Sekunden stammelte sie: »Das ist Unsinn.«
»Es ist die Wahrheit.« Er wandte den Kopf und sah sie an. »Ich hab mich in dich verliebt, Rosa.«
Sie zögerte. Kämpfte um ihre Fassung.
»Mist«, flüsterte sie.
Er lächelte traurig.
Dann schwiegen sie, bis sie endlich sein Handy nahm und Zoes Nummer wählte.
Iole
N iemand hob ab.
Rosa sprach auf Zoes Mailbox und versuchte, nicht an Lilia zu denken; sie brachte es nicht übers Herz, die Nachricht von ihrem Tod auf Band zu hinterlassen. Stattdessen warnte sie konfus und atemlos vor den Carnevares, die versuchen würden Tano zu rächen. Wer in Wahrheit geschossen hatte, verschwieg sie. Danach versuchte sie es mehrfach im Palazzo, aber auch dort war niemand zu erreichen.
Alessandro blickte starr nach vorn, kaute auf seiner Unterlippe und jagte den Mercedes viel zu schnell durch die Nacht.
»Da geht keiner ran«, sagte sie schließlich. »Wir müssen hinfahren. Die Wächter unten am Tor müssen gewarnt –«
»Die warten seit Jahren nur darauf, dass unsere Leute den ersten Schritt machen«, unterbrach Alessandro. »Sie brauchen keine Warnung. Es ist ihr Job, auf so was vorbereitet zu sein.« Er seufzte leise. »Abgesehen davon glaube ich kaum, dass Cesare sofort aufbricht und –«
»Aber du hast ihn doch gesehen! Kam er dir vor, als würde er sich die ganze Sache erst mal in Ruhe durch den Kopf gehen lassen?«
»Aber genau das wird er tun. Fürs Erste ist sein Blutdurst gestillt. Er muss sich wieder beruhigen – die Männer folgen auf Dauer keinem rasenden Irren und das weiß er. Der einzige Vorteil, den er aus Tanos Tod ziehen kann, ist der, mir einen Teil der Schuld zuzuschieben. Das ist eine Chance, die er nutzen wird.«
Sie starrte ihn fassungslos an. »Aber hier geht es nicht um dich ! Er hat Lilia getötet und er wird das Gleiche mit meiner Schwester und meiner Tante tun.«
Falls ihn ihre Worte trafen, zeigte er es nicht. »Erst nachdem er sich vergewissert hat, dass der Carnevare-Clan hinter ihm steht. Und dass die anderen Dynastien ebenfalls der Ansicht sind, dass das Konkordat gebrochen wurde. Cesare wird sich bemühen, eine Legitimation für sein Vorgehen zu bekommen, andernfalls könnte er bald alle gegen sich haben. Also wird er ein Tribunal einberufen, bei dem darüber entschieden wird.«
»Über meine Schuld, meinst du«, sagte sie kühl.
»Er wird es so hinstellen, als hättest du geschossen.«
Während sie auf seine Hände am Steuer starrte, auf schwarzen Pelz, der sich nun immer schneller ausdünnte und schließlich verschwand, erinnerte sie sich, dass diese Hände mit das Erste gewesen waren, was sich ihr eingeprägt hatte. Seine angespannten Finger bei der Landung des Flugzeugs.
Alessandro raste über eine einsame Kreuzung im nächtlichen Nirgendwo. Kein anderes Fahrzeug weit und breit. »Wenn es ihm gelingt, die Männer gegen mich –«
»Hör auf damit!«, fuhr sie ihn an. »Wenn es nur das ist, worum es dir geht – dein Scheißanspruch auf die Führung –, dann lass mich am besten gleich hier aussteigen.«
Diesmal konnte sie
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