Armageddon 01 - Die unbekannte Macht
kanns’ diesen Edeniten nich’ trauen, hab’ ich gesagt, aber du wolltest ja nich’ auf mich hören. O nein! Sie mußten nur mit ihre prall gefüllten Kreditdisk vor deiner Nase rumfuchteln, und du bist umgefallen wie ein nasses Hündchen! Das ist ja noch schlimmer als damals, als diese Person an Bord war!«
Len saß auf der gegenüberliegenden Seite des Kombüsentischs und bedeckte die Augen mit den Händen. Die Schmähtiraden machten ihm nichts aus; er hatte schon vor Jahren gelernt, sie aus ihren Worten herauszufiltern. Vielleicht war das einer der Gründe, aus denen sie so lange zusammengeblieben waren. Nicht aus Liebe oder auch nur Zuneigung, sondern weil sie sich gegenseitig neunzig Prozent der Zeit ignoriert hatten. Seit Marie ihn verlassen hatte, dachte er häufiger über solche Dinge nach.
»Ist noch Kaffee da?« fragte er.
Gail blickte nicht einmal von ihren strickenden Nadeln auf. »In der Kanne. Du bist genauso faul wie dieses Miststück gewesen ist.«
»Marie war nicht faul!« Er erhob sich und ging zu der elektrischen Heizplatte, auf der die Kaffeekanne stand.
»Oh, jetzt heißt sie also Marie, ja? Jede Wette, daß du nicht den Namen von einer einzigen anderen Schlampe weißt, die wir den Fluß hinunter mitgenommen haben.«
Er schenkte sich einen halben Becher Kaffee ein und setzte sich wieder. »Du aber auch nicht.«
Sie hörte tatsächlich für einen Augenblick zu stricken auf! »Lennie, um Gottes willen, keine von den anderen hatte eine derartige Macht über dich! Sieh dir doch an, was aus uns geworden ist, aus unserem Boot! Was war so Besonderes an ihr? Du hast im Verlauf der Jahre auf dem Fluß sicher mehrere Hundert von diesen jungen Weibsbildern in deiner Koje gehabt!«
Len blickte sie überrascht an.
Die aufgedunsenen Gesichtszüge erstickten jeden Gemütsausdruck, und er wußte nie genau, was hinter den Augen seiner Frau vorging – doch jetzt bemerkte er, wie verwirrt sie war. Er senkte den Blick und starrte in die dampfende Kaffeetasse. Abwesend blies er auf die schwarze Flüssigkeit, dann sagte er: »Ich weiß es selbst nicht.«
Gail grunzte und fuhr fort zu stricken.
»Warum gehst du nicht einfach schlafen?« fragte er. »Es ist bereits spät, und wir sollten lieber abwechselnd Wache halten.«
»Wenn du nicht so scharf darauf gewesen wärst herzukommen, müßten wir nicht unsere liebgewonnenen Gewohnheiten ablegen.«
Widerspruch war nicht die Mühe wert. »Nun, jetzt sind wir jedenfalls hier. Ich halte bis zum späten Vormittag Wache.«
»Diese verdammten Zettdees. Ich hoffe nur, Rexrew läßt jeden einzelnen von diesen Kerlen erschießen!«
Das Leuchtpaneel, das in die Kombüsendecke eingelassen war, wurde unvermittelt dunkler. Len starrte verwirrt hoch; sämtliche elektrischen Verbraucher an Bord wurden von den großen Elektronenmatrixkristallen im Maschinenraum gespeist, und Len achtete stets darauf, daß sie voll geladen waren. Wenn schon nichts anderes, so hielt er zumindest die Maschinen der Coogan einwandfrei in Schuß. Das war Ehrensache.
Irgend jemand betrat das Deck des Bootes zwischen Ruderhaus und dem langgestreckten Aufbau. Das Geräusch war fast unhörbar leise, doch Gail und Len sahen sich alarmiert an.
Ein jung aussehender Teenager kam in die Kombüse spaziert. Len sah, daß er die beigefarbene Tropenjacke eines Sheriffs trug. Über der linken Brusttasche stand der Name zu lesen: Yuri Wilkin. Darcy hatte Len gewarnt, daß die fremden Invasoren Sequestrationstechniken benutzten. Damals hatte er nur zynisch zugehört, doch jetzt war er bereit, jedes einzelne Wort zu glauben. Der junge Bursche hatte eine schlimme Wunde am Hals. Eine Wunde, die von bösartigen Zähnen herrührte. Das Gewebe ringsum war geschwollen. Ein breiter Streifen aus getrocknetem Blut verlief über die Vorderseite des ärmellosen Hemds. Er trug jene Art von benommenem Gesichtsausdruck, den nur die vollkommen Betrunkenen besitzen.
»Verschwinde von meinem Boot!« knurrte Len.
Yuri Wilkin öffnete den Mund zu einer Parodie eines Lächelns. Röchelnde Laute kamen aus seiner Kehle, als er zu reden versuchte. Das Beleuchtungspaneel wurde in hektischer Frequenz hell und dunkel.
Len stand auf und schlenderte gelassen zu der langen Reihe von niedrigen Schränken, die an der Steuerbordwand montiert waren.
»Setz dich!« krächzte Yuri. Seine Hand umschloß Gails Schulter. Ein knisterndes Geräusch entstand, und der Halter ihrer Schürze flammte auf. Gelbe Flammenzungen leckten zwischen den
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