Armageddon 06 - Der nackte Gott
keine Ordnung und keinen Plan; Röhren zogen sich kreuz und quer durch den leeren Raum, und die kleinen irregulären Lücken waren durchzogen von Streben, die aussahen wie ein filigranes Vogelnest. Leuchtend rote Kabelstränge enthüllten Wärmeleiter außerhalb der Röhren, und magnetische Feldlinien überlagerten die leuchtend grünen Linien der Energiekabel.
»Jede Menge Aktivität hier drinnen«, sagte Ione. »Die Röhren sind ausnahmslos intakt und undurchsichtig. Ich kann nicht das geringste sehen.«
»Was ist mit eurem Ziel?« fragte Joshua. »Hast du schon eine Idee, wohin ihr geht?«
»Nicht die geringste. Dieses Gewirr ist so gewaltig, daß man nicht weiter als hundert Meter in jede Richtung sehen kann.«
Dicke Streifen des Schwamm-Materials waren der Länge nach über jede Röhre gelegt, so daß sie auch jetzt noch leicht vorankamen. Die Mosdva schienen genau zu wissen, wohin sie wollten. Iones Trägheitsleitsystem zeigte an, daß sie sich noch immer tiefer in den Knoten hinein bewegten.
Nach zweihundert Metern kam das Gewirr von Röhren zu einem unerwarteten Ende. Das Zentrum des Knotens wurde von einem leeren Raum eingenommen, der mehr als zwei Kilometer durchmaß. In seinem Zentrum befand sich ein Zylinder von achthundert Metern Durchmesser, dessen Naben durch schwere magnetische Lager mit den umgebenden Röhren verbunden waren und eine langsame Rotation ermöglichten. An einem Ende bedeckte eine Reihe von zwanzig regelmäßigen Rippen vielleicht zwanzig Prozent der Außenfläche. Iones Infrarotsensoren zeigten, daß die Rippen in einem weichen einheitlichen Rosa leuchteten und wesentlich wärmer waren als der Rest des Raumes. Wärmetauscher, die interne Hitze abstrahlten. Was bedeutete, daß die Systeme im Innern des Zylinders noch arbeiteten.
»So so«, sagte Ione. »Seht euch das an. Wie es scheint, wohnt hier immer noch jemand, der ein Gravitationsfeld vorzieht.« Sie schwenkte ihre Sensoren im Kreis herum. Die Höhle rings um den Zylinder erinnerte an ein Wartungsdock für Raumschiffe: Riesige Ausleger und Kranarme mit Leitungen und Rohren ragten aus dem umgebenden Röhrengeflecht. Sie endeten in massigen Futtern mit Bohrern darin, inert und nach innen gefaltet wie abgestorbene Seeanemonen. Die meisten Bohrkronen waren leer, doch einige enthielten große Stücke pechschwarzen Gesteins, das wie Diamanten in Hunderte kleiner scharfkantiger Facetten geschliffen war. Es gab keine Standardform oder Größe; ein Brocken war so groß, daß er von zehn Kranarmen mit Klammern gehalten werden mußte. Seine konturierte Oberfläche folgte der Wölbung des zentralen Zylinders. Die meisten Diamantfelsen erforderten nur drei oder vier Klammern, und es gab Stücke, die nur von einer einzigen gehalten wurden. Maschinen klebten an den Felsen wie skurril gewachsene Stalagmiten, so dunkel und kalt waren sie. Bis auf eine Ausnahme, in der Mitte des größten Brockens, die in schwachem Lachsrosa leuchtete und interne Hitze abstrahlte.
»Wahrscheinlich irgendeine Art von Verhüttungsanlage«, sagte Ione. »Ich glaube, die Felsen bestehen größtenteils aus kohlenstoffhaltigem Kondrit.« Ihre Sensoren fingen an mehreren Stellen dichte magnetische Feldlinien auf. Die Maschinen, zu denen sie gehörten, waren auf schweren Plattformen montiert, die den gesamten Zylinder umgaben. Sie sahen aus wie die Fusionsantriebsrohre.
»Wer lebt hier?« fragte sie Quantook-LOU. »Das sind die Tyrathca, oder nicht?«
»Das dort ist Lalarin-MG. Es ist der ihnen zugewiesene Ort. Ich bin verärgert, daß sie immer noch leben.«
»Aber Sie hassen die Tyrathca, sie haben Sie jahrtausendelang versklavt. Ich dachte, Sie hätten alle ausgelöscht? Jedenfalls schien das aus Ihren Worten hervorzugehen.«
»Die überlebenden Tyrathca haben sich gegen Ende der Zeit des Umsturzes in ihren Enklaven zusammengerottet. Es war schwierig, sie von dort zu vertreiben, und die Sache war es nicht wert, ihre Verteidigung herauszufordern. Wir schlossen sie vom Kontakt mit unseren neu gebildeten Dominien aus und gestatteten ihnen, in Isolation auszusterben. Heute existieren nur noch die größten Enklaven.«
»Das ist unglaublich!« sagte Samuel. »Sie sind wie ein Sandkorn in einer Auster; die Mosdva haben ihre Scheibenstadt einfach um sie herum gebaut.«
»Ein ziemlich großes Sandkorn«, sagte Sarha. »Sehen Sie sich diese Höhle genau an. Ich gehe jede Wette ein, daß sie ganz vom Fels des Asteroiden ausgefüllt war, als die Scheibenstadt errichtet
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