Armageddon 06 - Der nackte Gott
waren. Ohne die Flüssigkeiten, die das Innere der Röhren in den bewohnten Sektionen abschirmten, war das Licht der Sonne erbarmungslos.
Die Mosdva glitten zielstrebig in Richtung des Röhrenendes. Sie benutzten die Öffnungen als Griffe, aus denen früher die langen Blattwedel gewachsen waren, was ihnen fast die gleiche Mobilität verlieh wie die Wedel in einer unter Atmosphärendruck stehenden Röhre. Ione setzte ihre Manöverpacks ein, um ihnen zu folgen.
Am Ende der Röhre angekommen, zog einer von Quantook-LOUs Leibwächtern erneut den Laser und schnitt durch die Luke der Luftschleuse. Sie durchquerten die Anschlußstelle und schwebten dahinter in eine weitere Röhre, höher in den Knoten hinauf.
Sobald die Serjeants im Innern der Röhre verschwunden waren, benutzte Joshua die Korrekturtriebwerke, um die Lady Macbeth in eine größere Höhe über der Sonnenseite zu bringen. Beaulieu meldete, daß neun kleine Satelliten von verschiedenen Stellen über Tojolt-HI aufgestiegen waren. Alle sandten schwache Radarpulse aus, die jeder Bewegung der Lady Macbeth folgten.
»Sieht aus, als wollte Quantook-LOU zum Apex dieses Knotens«, sagte Samuel. »Bis jetzt ist er jedenfalls in den Röhren an der Oberfläche geblieben.«
»Ich analysiere die Signale aus den Sensorblocks der Serjeants«, sagte Oski. »Die Mosdva senden eine Vielzahl von Pulsen aus, die meisten davon stammen von Quantook-LOU selbst. Und sie sind mit einem höchst komplexen Schlüssel gesichert.«
»Mit wem redet er?« wollte Joshua wissen.
»Ich denke nicht, daß er mit jemandem redet. Die Pulse sind ausnahmslos schwach, und in den Röhrenwänden gibt es keinerlei elektronische Aktivitäten. Ich denke, es ist alles an seine Leibwächter gerichtet. Ich habe ihre Bewegungen und seine Signale korreliert, und es sieht so aus, als würde er sie tatsächlich fernsteuern. Ihre Antworten sind ganz anders geartet. Wahrscheinlich Sensordaten, so daß er sehen kann, was sie sehen.«
»Ein richtiges kleines Geschwader von Drohnen«, sagte Ashly. »Kann es sein, daß er ihnen nicht traut?«
»Jetzt ist es ein wenig zu spät, um über seinen Status nachzudenken«, sagte Joshua. »Oski, finden Sie heraus, ob Sie diese Leibwächter funktionsunfähig machen können, falls es nötig werden sollte.«
»Mache ich.«
Joshua brachte die Lady Macbeth zu einer Position fünfundzwanzig Kilometer über der Sonnenseite. Das Warten fiel ihm schwer. Er wäre am liebsten selbst unten bei Quantook-LOU gewesen, um mit eigenen Augen dabeizusein. Damit hätte er die Kontrolle gehabt und jederzeit reagieren können, falls die Situation es erforderte. Genau, wie er es im Ayacucho und auf dem Nyvan getan hatte. Die vorderste Linie war der einzige Platz, wo er sicherstellen konnte, daß alles richtig gemacht wurde.
Und doch – wenn er etwas aus diesen beiden Abenteuern gelernt hatte, dann war es die Tatsache, daß ein guter Kommandant mehr war als ein guter Pilot. Er wußte, daß seine Besatzung die Schiffssysteme im Traum beherrschte. Und die Experten an Bord waren noch eine Erweiterung dieses Prinzips. Beim zweiten Mal in Anthi-CL, als Quantook-LOU so aufdringlich geworden war, hatte Joshua von Anfang an gewußt, daß es klüger gewesen wäre, nicht noch einmal persönlich in die Scheibenstadt zu gehen. Folglich steckten jetzt eher Schuldgefühle als Professionalismus hinter seiner Entscheidung, die Serjeants in den Knoten zu schicken.
Wenigstens hatte niemand protestiert, weil er nicht mitgeschickt worden war. Joshua vermutete insgeheim, daß die Scheibenstadt den anderen genauso an den Nerven zerrte wie ihm selbst.
Sie waren seit fünfzehn Minuten auf Position, als Beaulieus Sensorüberwachungsprogramme sie über eine Kursänderung der Sonnenschaufel informierten. Die massiven Fusionsantriebe brannten und beschleunigten das gigantische Gebilde mit einem Fünfzigstel g. »Es ist auf Abfangkurs zu uns gegangen«, berichtete Beaulieu den anderen auf der Brücke.
»Jesses. Wieviel Zeit bleibt uns noch?«
»Ungefähr siebzig Minuten.«
Ione lauschte Joshuas Bericht über die Sonnenschaufel der Mosdva und sagte dann: »Ich denke, ich werde Quantook-LOU fragen.«
Sie befanden sich in einer weiteren verlassenen Röhre, der fünften bisher, und noch immer wirbelten sie Unmengen an Staub auf, wenn sie vorüberkamen. Abgesehen vom Mangel an Luft und Flüssigkeit schienen sämtliche Röhren in einem einigermaßen gutem Zustand zu sein. Ione konnte keinen Grund erkennen, warum
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