Armageddon 06 - Der nackte Gott
Zugriff.«
»In Ordnung. Zeig mir, was geschehen ist.«
Die Besessenen im Mittelschiff sanken auf die Knie und konzentrierten sich angestrengt, um den Strom energistischer Macht zu erzeugen, den der dunkle Messias für seine Beschwörung brauchte. Oben auf der Galerie verwandelte sich Quinns Robe in reinen Schatten. Sie begann sich zu bewegen, floß von seinem Körper nach draußen und füllte den umgebenden Raum aus wie ein schwarzes Gespenst. Genau im Zentrum leuchtete sein nackter Körper in strahlendem Silber. Quinn nahm die angebotenen Energien entgegen und dirigierte sie, wie er es wünschte. Sie strömten aus der Kuppel hinunter auf den Boden der Kathedrale, wo sie die Struktur der Realität bedrängten und sie schwächten.
Powell Manani und Fletcher Christian starrten konsterniert auf den Boden zu ihren Füßen, als aus den Fliesen ringsum ein leuchtender purpurner Nebel aufzusteigen begann. Die Sohlen ihrer Schuhe verbanden sich mit der Oberfläche, und es wurde fast unmöglich, einen Fuß zu heben.
»Ich muß näher an ihn heran«, sagte Powell.
Fletcher blickte hinauf auf die dunkle Erscheinung unter der Kuppel. »Ich möchte so weit von ihm weg, wie es dieser schreckliche Platz nur möglich macht«, sagte er. »Aber ich werde nicht ohne sie gehen.«
Powel setzte seine eigenen energistischen Kräfte ein, um seine Füße von den Fließen zu lösen, und selbst dann noch kostete es ihn beträchtliche Anstrengung. Er stellte sich so dicht zu Fletcher, daß die beiden sich fast berührten. Dann hob er den Saum seines Sweatshirts und enthüllte einen kurzen Blick auf den Griff von Louises Erinnerungslöscher, der aus dem Hosenbund ragte.
»Gut und schön«, sagte Fletcher, »doch es wird mit Sicherheit kein leichtes Unterfangen, Sir. Ich kann hören, wie die gefallenen Engel näher und näher kommen.«
Der dunstige Schleier vibrierte, ein dumpfes Heulen voller Gier und Wehklagen. Das Gewebe des Universums selbst wurde dünner, genau wie Quinn es wünschte. Sowohl Fletcher als auch Powell spürten den Druck, der von der anderen Seite ausgeübt wurde, ein verzweifeltes Kratzen und Scharren.
»Ich werde versuchen, ihn abzulenken«, sagte Fletcher schließlich. »Dann bleibt Euch vielleicht genügend Zeit, um die Treppe zu erreichen.«
»Das glaube ich nicht. Dieses Zeug ist schlimmer als Treibsand.«
Der purpurne Dunst war verschwunden. Fletcher und Powell blickten sich gehetzt um. Ein Tropfen Ektoplasma schob sich mit einem weichen Blubb durch einen Riß zwischen zwei Fliesen nach oben. Ringsum bildete sich ein Kreis aus festem weißem Frost.
»Was machen wir jetzt?« grunzte Manani besorgt.
Weiteres Ektoplasma kochte hoch. Träge Ströme bildeten sich und rannen zusammen. Die unberührt gebliebenen Fliesen waren inzwischen alle weiß gefroren. Fletcher spürte, wie eisige Luft von der zähen Flüssigkeit aufstieg. Sein Atem kondensierte vor seinem Gesicht.
»Willkommen, meine Brüder!« dröhnte Quinns Stimme durch die Kathedrale. »Willkommen auf dem Schlachtfeld. Gemeinsam werden wir die Nacht unseres Herrn herabbringen.«
Der gesamte Boden unterhalb der Kuppel hatte sich in einen Teich aus schäumendem und blubberndem Ektoplasma verwandelt. Fletcher und Powell sprangen von einem Bein auf das andere und versuchten hektisch, die unerträgliche Kälte von ihren Füßen fernzuhalten. Plötzlich erstarrten sie, als sich eine V-förmige Welle über den Tümpel bewegte. Wogen aus heißen, lustvollen Emotionen schossen aus dem Spalt zwischen den Dimensionen, ein Gegenstück zur physischen Kälte. Eine gekrümmte Spitze hob sich aus dem Boden, und Ektoplasma schmiegte sich an seine gesamte Länge. Das Gebilde war über drei Meter hoch.
Fletcher beobachtete in entsetzter Ehrfurcht, wie sie wuchs. Dann bildete sich eine zweite neben der ersten, und laut gurgelnd schwappte Ektoplasma gegen ihre Basis.
»Lieber Herr Jesus, schütze Deine Diener«, flüsterte er. Zusammen mit Manani wich er vor den beiden Spitzen zurück, als eine dritte aus dem Boden wuchs.
Das Ektoplasma kochte nun. Überall im Tümpel wanden sich kleinere Tentakel in die Höhe wie ein Pelz aus räuberischen Flimmerhärchen. Eines davon wand sich um Mananis Bein. Mit einem lauten Aufschrei riß er sich stolpernd los. Die Spitze verwandelte sich in eine fünfgliedrige Klaue. Manani richtete den Finger auf sie und schleuderte ihr einen Ball aus weißem Feuer entgegen. Die Klaue erzitterte, und große Wogen aus Ektoplasma rasten auf sie
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