Armageddon 07 - Zweite Chance auf Eden
Erde
2070
Sonnies Trumpf
(Sonnie’s Edge)
Es war helllichter Tag, also ging in Battersea überhaupt nichts. Der M500 Motorway über der Themse hatte uns mit einer Geschwindigkeit von einhundertfünfzig Stundenkilometern in das Herz Londons geführt, doch nachdem wir eine Spiralrampe hinuntergefahren und auf der Chelsea Bridge angekommen waren, betrug unsere Geschwindigkeit konstant einen Kilometer pro Stunde. Unser Ziel lag drei Kilometer von uns entfernt.
Wir reihten uns ein in die Schlange chromsilberner Fahrzeuge, die die Straße verstopften, und erhöhten die Reflexionsstärke unserer Scheiben gegen das grelle Funkeln. Bikes quetschten sich durch die schmalen Lücken, die Fahrer in glatthäutigen Klimaanzügen. Lichthupen blitzten ihnen wütend hinterher, während sie durch den Stau glitten, eine Art fortlaufender Stroboskopeffekt. Als wäre das nicht bereits schlimm genug, war die Luft erfüllt vom Vibrieren der Nabenmotoren und Klimaanlagen, und alles in einer Frequenz, die garantiert Migräne hervorrief. Drei Stunden davon.
Ich hasse Städte.
Mittag, und wir rollten in den verlassenen Hof wie ein altertümlicher Zirkuswagen auf dem Weg in die Stadt. Ich saß auf dem Beifahrersitz neben Jacob, hoch oben in der Kabine des alten Zehnachsers, die Füße auf dem Armaturenbrett, oberhalb der Flutlinie von Mac-was-weiß-ich-Verpackungen, die den Boden übersäten. Neugierige Roadies aus der Arena liefen auf dem von Rissen durchsetzten Beton durcheinander und starrten uns neugierig an. Die beiden anderen Wagen im Konvoi unseres Teams bogen von der Straße ab und in den Hof. Hinter uns schlossen sich zwei schwere rostige Metallgatter mit lautem Knall.
Jacob verriegelte die Räder und schaltete die Energiezufuhr ab. Ich kletterte aus der Fahrerkabine. Die silberne Seite des Wagens war beschlagen von den Ausdünstungen der Stadt, doch mein Spiegelbild war noch halbwegs zu erkennen. Ein blonder Kurzhaarschnitt, der dringend der pflegenden Hand eines Friseurs bedurfte; die Kleidung ähnlich verwahrlost, schätze ich: ein ärmelloses schwarzes T-Shirt und olivgrüne Bermudashorts, die ich seit über einem Jahr trug, die Füße in durchgescheuerten weißen Turnschuhen. Ich war zweiundzwanzig, obwohl ich die Art von hagerer Gestalt besaß, wie man sie bei dreißigjährigen Frauen findet, die zum Fitnesstraining gehen und Diät leben, um wieder wie zweiundzwanzig auszusehen. Mein Gesicht war gar nicht so übel; Jacob hatte es wiederhergestellt und mir die vorspringenden Wangenknochen verliehen, die ich mir als Teenager immer gewünscht habe. Vielleicht war es nicht ganz so ausdrucksvoll wie früher einmal, doch die verzerrenden Rundungen der Karosserie machten es schwierig, das festzustellen.
Nachdem wir die kühle, ruhige Isolation der Kabine hinter uns gelassen hatten, traf mich die Lärmkulisse von London voll, zusammen mit der Hitze und den Gerüchen. Die drei wichtigsten Abfallprodukte von achtzehn Millionen Einwohnern, ausnahmslos fest entschlossen, ihren Lebensstil zu erhalten, indem sie sich durch Konsumgüter fraßen und Energie in einem Ausmaß verbrauchten, wie sie nur die Industrie des einundzwanzigsten Jahrhunderts zu liefern imstande war. Und selbst sie hatte Mühe, mit der Nachfrage Schritt zu halten.
Ich kann mich mitten hinein in diesen Bienenschwarm aus Gier versetzen, in seine Sucht nach einem Stück vom Leben. Ich weiß, wonach sie sich am meisten sehnen, und wir liefern es ihnen.
Aufregung, Spannung. Damit verdienen ich und der Rest von Sonnie’s Predators unsere Brötchen. Und wir haben einen großen und einzigartigen Brocken davon hierher nach Battersea mitgebracht. Heute Nacht wird es einen Kampf geben.
Eine Hetzjagd: der zeitlose Sport, gewalttätig, spektakulär, blutrünstig … und stets tödlich. Neu und echt, Welten entfernt von dem keimfreien, entschärften Mist der VR-Games, die Nacht für Nacht von den Konsumenten in ihre Taksuit-Prozessoren geladen werden. Das hier ist real; es entfacht die alten Instinkte, die stärksten und süchtigmachendsten von allen. Und Sonnie’s Predators sind das heißeste Team auf dem Globus, seit die Wettbewerbe vor zwei Jahren in Mode gekommen sind. Siebzehn Siege in Folge. Wir haben Hetzer-Groupies auf dem ganzen Weg von den Orkney-Islands bis hinunter nach Cornwall.
Ich hatte Glück, weil ich schon seit Stufe eins dabei war, als es noch in Mode war, Rottweiler und Dobermänner mit Fangimplantaten und Rasiermesserklauen zu modifizieren.
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