Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Arme Milliardäre!: Der große Bluff oder Wie die amerikanische Rechte aus der Krise Kapital schlägt

Arme Milliardäre!: Der große Bluff oder Wie die amerikanische Rechte aus der Krise Kapital schlägt

Titel: Arme Milliardäre!: Der große Bluff oder Wie die amerikanische Rechte aus der Krise Kapital schlägt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Frank
Vom Netzwerk:
zwei Klassen, »normalen Leuten« und »Intellektuellen«. Nach dieser Denkart ist man entweder ein produktiver Bürger oder eine Art von Snob, Professor vielleicht, oder Bürokrat der Umweltbehörde. Verglichen mit der scharfen Trennlinie zwischen Intellektuellen und nützlichen Mitgliedern der Gesellschaft verblassen alle anderen Unterscheidungen. Zwischen kleinen Unternehmern und Erntehelfern beispielsweise besteht dann überhaupt kein Gesellschaftsgefälle mehr, so wie andere Autoren der Tea Party auch keinen Unterschied zwischen Rick Santellis Börsenmaklern und »arbeitenden Menschen« ausmachten. [2]
    Solche zweckdienliche Vernebelung von Klassenunterschieden gehört zu den häufig eingesetzten Techniken der neuen Rechten. Das beste Beispiel dafür bietet eine Großveranstaltung, die 2009 am Labor Day in West Virginia erklärtermaßen als Solidaritätskundgebung zwischen Kohlebergleuten und den Minenbesitzern, ihren Arbeitgebern, organisiert wurde. Dabei traten prominente Protestlerwie Sean Hannity und Ted Nugent auf, die Leitung hatte Don Blankenship, der Vorstandsvorsitzende von Massey Energy, ein Mogul der alten Schule, der sich als Umweltverschmutzer und bei der Niederschlagung von Streiks einen Namen gemacht hatte. [3]
    Ganz in die Farben der amerikanischen Flagge gehüllt, brüstete sich Blankenship damit, die Kundgebung hätte ihn »ungefähr eine Million Dollar« gekostet. Er sei hier, »um die amerikanischen Arbeiter zu verteidigen, weil sich sonst niemand für sie einsetzt«. Hauptsächlich wetterte der Manager gegen »unsere Führer in der Regierung«, die mit ihren Sicherheitsvorschriften und Umweltauflagen »der größte Albtraum der amerikanischen Arbeiter« seien.
    Acht Monate nach dieser Protestkundgebung starben in einem von Massey betriebenen Bergwerk namens Upper Big Branch neunundzwanzig Kumpel nach einer schweren Gasexplosion, ein Unglück, das mit Sicherheit nicht solche dramatischen Ausmaße angenommen hätte, wenn Massey die Sicherheitsstandards eingehalten und für eine vorschriftsmäßige Belüftung gesorgt hätte – oder wenn die staatlichen Grubeninspektoren die zahlreichen dokumentierten Verstöße des Betreibers entschiedener geahndet hätten. [4]
    Ein solcher Fall, in dem ein
Grubenbesitzer
behauptet, sein Kampf gegen Vorschriften sei in Wahrheit der Kampf der
Bergleute
– jener Bergleute, die dann ums Leben kommen, weil die Sicherheitsvorschriften von besagtem Betreiber nur lax umgesetzt wurden –, ist sicherlich ein nahezu perfektes Beispiel für das, was Soziologen »kompletten Schwachsinn« nennen. Die Vorstellungen dieses Mannes über die gesellschaftlichen Verhältnisse widersprechen jeder Realität und sind so verquer, dass sie die Unterschiede, die sie verwischen wollen, besonders deutlich hervorheben.
    Ende 2011 hatten die Amerikaner ihre Bezeichnung für die Klasse gefunden, der Blankenship angehörte – sie nannten sie nun »das eine Prozent«. Es steht den »neunundneunzig Prozent« gegenüber, in deren Namen Blankenship zu sprechen behauptete. Doch die Konservativen, die zu diesem Zeitpunkt die Kontrolle im Kongress übernommen hatten, verbinden mit dem Ausdruck »Klasse« im Grundenicht Einkommen oder Wohlstand, sondern höhere Bildung. Die Schurken an der Spitze der Gesellschaftspyramide sind für sie die Intellektuellen, wie es auch schon in den Jahren des Kulturkampfs war. Allerdings hatten sich die Gründe, deretwegen die Intellektuellen so verachtet werden, etwas gewandelt. In den Jahren von Bush war das Vergehen der Intellektuellen stets ihre Missachtung der Werte des stramm republikanischen Kernlands gewesen – ihr mangelnder Respekt vor der Unantastbarkeit von Föten und ihr Unverständnis für die Reize von Stockcar-Rennen. Heute wirft man den Intellektuellen eine andere Todsünde vor: ihren Zweifel an der ordnenden Hand des allmächtigen Marktes.
    Die normalen Leute hingegen kennen angeblich ihren Platz in der Hackordnung des Marktes, ob sie nun mit Aktien handeln oder mit der Schaufel im Straßengraben stehen. Im Grunde sind diese bescheidenen Menschen eins mit dem Markt, der nichts anderes als Ausdruck all ihres Sehnens und Strebens ist. Und die Verkörperung dieses populistischen Geistes der Demut vor dem Markt ist der kleine Unternehmer. Im Unterschied zum Bürokraten oder Universitätsprofessor – oder der unheiligen Allianz von beidem, Präsident Obama – ist der kleine Unternehmer durch und durch ein Geschöpf des Marktes, ein Mensch, dessen

Weitere Kostenlose Bücher