Arme Milliardäre!: Der große Bluff oder Wie die amerikanische Rechte aus der Krise Kapital schlägt
entspreche.
Für kurze Zeit schien die Welt dem ehemaligen Marine zu Füßen zu liegen, dank YouTube, der neuen Rechten und einem abenteuerlichen Verständnis von deutscher Geschichte. Hedrick war der politische Star des Augenblicks, der Santelli dieses Sommers. Aber der Sommer war rasch zu Ende.
Kurz nach seinem Auftritt in der Sendung von Hannity tauchte Hedrick auch wieder in einer Bürgerversammlung mit Congressman Baird auf, ganz offensichtlich, um seine Heldentat zu wiederholen. Diesmal lief es nicht so gut für ihn. Hedrick vergeudete seine Redezeit mit Klagen darüber, was er alles seit seinem letzten öffentlichen Auftritt hatte erdulden müssen, und machte dann den Anfängerfehler, Baird zu bitten, aus der Verfassung vorzulesen. Das lange und langweilige Rezitieren, das darauf folgte, nahm der Sache den Wind aus den Segeln.
Doch wie wir als Bürger des Medienzeitalters wissen, ist es nicht so einfach, in die Anonymität zurückzukehren, wenn man einmal seinen Augenblick des Ruhms genossen hat. Hedrick beschloss, für Bairds Kongresssitz zu kandidieren. Unter den Republikanern, die ebenfalls ein Auge auf den Posten geworfen hatten, zeichnete sich der ehemalige Marine durch die extreme Reinheit seiner Position aus. Dies sichere ihm die Unterstützung der Graswurzelbewegung, meinte Hedrick. [13]
Auch als er dann Kandidat für den Kongress war, kam kaum ein Artikel über Hedrick ohne Verweis auf seinen inzwischen lang zurückliegenden YouTube-Ruhm aus. Im Juli 2010 trat er in einer öffentlichen Haushaltsanhörung auf, ganz offensichtlich, um vor laufenden Kameras seine Popularität neu zu entfachen, diesmal mit Anwürfen gegen die Gouverneurin des Bundesstaats Washington, Christine Gregoire. Sie ließ ihn einfach auflaufen. Im August verlor Hedrick die Vorwahl der Republikaner.
Doch er gab sich noch nicht geschlagen. Gegen Ende des Jahres unternahm er einen weiteren Versuch, Kapital aus seinem Ruhm zu schlagen: ein Tea-Party-Buch für Kinder, also für jene, von denen der Kongressabgeordnete Baird die Finger lassen sollte. Soweit ich sehe, waren die einzigen Reaktionen, die das Buch erhielt, vom Tenor: »Was für ein unglaublicher Quark.« Doch sind wir fair gegenüber Hedrick. Er produzierte eines der denkwürdigsten Dokumente der Bewegung: ungehobelt, unverblümt, ohne große Umschweife und voller Beleidigungen – und, sehr typisch, auf Grundschulniveau geschrieben. [14]
Das Buch war natürlich eine Weihnachtsgeschichte – es stimmte in die schon oft wiederholte Klage ein, wie wenig das Weihnachtsfest noch mit seinen Ursprüngen zu tun habe.
The Liberal Claus
nannte Hedrick sie, ein simpel gestricktes Geschichtchen, wie es in die Ära der Tea Party passt. Böse liberale Elfen haben mittels Wahlbetrug einen Usurpator auf Santas Thron gehievt: den »Liberal Claus«, gemeint ist natürlich Barack Obama. Dieser falsche Santa Claus (»Bist du überhaupt vom Nordpol?«, fragt ihn einer der Elfen) besticht die Kinder von David Hedricks Heimatstadt Camas im Bundesstaat Washington mit Süßigkeiten. Er missachtet die »Weihnachtsverfassung« und behauptet einfach, »wirklich schlaue« Leute könnten aus dem Dokument ersehen, dass alles rechtens sei, was er tue, normale Menschen seien dazu nicht imstande. Dann zwingt er Santas Elfen, einer Gewerkschaft beizutreten, von einem der Elfen unterstützt, der deutsche Worte benutzt und »Militärstiefel« trägt, ein kleiner Hinweis auf das innige Verhältnis von Hitler zu Arbeiterorganisationen,das mir zwar ganz neu ist, geschichtsinteressierten Anhängern der Tea Party jedoch bestens vertraut scheint.
Spoiler-Alarm: Die Kinder aus Camas beschaffen sich eine Schlangenflagge und erheben sich gegen den falschen Santa Claus. Kritisches Fazit: Die Metaphern sind bemüht, die Sprache ist lausig, die Karikaturen holzschnittartig, und wie in einer Art Suchspiel sind in den Bildern ein Stalin-Elf, ein Castro-Elf und ein Hugo-Chávez-Elf versteckt, die ihren liberalen Kumpels vom Nordpol zur Hand gehen. Natürlich blieben auch Hedrick und seine Heldentat in der Geschichte nicht unerwähnt: In einem Bild ist die
Christmas Times
mit der Schlagzeile
Mann aus Camas landet Riesenhit mit Wutausbruch
über einer Karikatur von Hedrick zu sehen.
Auch wenn David Hedrick es schließlich nicht geschafft hat, in den Kongress gewählt zu werden, seine Geschichte ist sehr aufschlussreich. Die bedenkenlose Geschäftstüchtigkeit, die Verknüpfung von Politik und Profit, das unablässige
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