Arme Milliardäre!: Der große Bluff oder Wie die amerikanische Rechte aus der Krise Kapital schlägt
als das System versteht,in dem Kredite ohne sorgfältige Prüfung vergeben werden, damit die Manager einer Hypothekenbank die Wachstumsvorgaben erfüllen und sich ihre Prämie sichern können, diese Kredite dann zu Paketen geschnürt und an irgendeinen Hedgefond verscherbelt werden, damit auch dessen Manager zu ihrem Bonus kommen, nun, dann sieht die Sache ganz anders aus. Der Journalist Matt Taibbi brachte es 2010 in einem Interview auf den Punkt:
Viele Leute in der Tea Party, mit denen ich rede, sind Kleinunternehmer. Sie betreiben Eisenwarengeschäfte oder Restaurants. Staatliche Regulierung, das ist für sie jemand, der kommt und überprüft, ob bei ihnen alles nach Vorschrift behindertengerecht eingerichtet ist, oder jemand vom Gesundheitsamt, Leute also, die sie mit kleinen Geldbußen schikanieren. So sieht ihre Erfahrung mit staatlicher Regulierung aus. Wenn sie dann von JPMorgan Chase oder Goldman Sachs und der Regulierung solcher Banken hören, stellen sie sich das genauso vor. Sie wissen nicht, dass Regulierung bei solchen Großunternehmen bedeutet, das Recht an sich durchzusetzen, dass es nicht um irgendwelchen Kleinkram geht, den ein Gesundheitsinspektor beanstandet. [26]
Die Unterscheidung zwischen diesen beiden Dimensionen des kapitalistischen Wirtschaftens gehört nicht gerade zu den Dingen, deren Aufklärung sich die neue Rechte auf die Fahne geschrieben hat. Statt die abstrusen Praktiken aufzuzeigen, die bei den Hypothekenverleihern herrschten, um nur das wichtigste Kapitel der jüngsten Wirtschaftsgeschichte zu nennen, schieben die Konservativen jenen den Schwarzen Peter zu, die nach Meinung vieler Unternehmer die wahren Schuldigen sind: den Versagern, die all diese Hypotheken überhaupt aufgenommen haben.
Und natürlich auch dem üblichen Verdächtigen, der sowieso an allem schuld ist: dem Staat. Wenn man die Amerikaner auf der Straße befragt, wie es denn zur Finanzkrise kommen konnte, dann wird man unvermeidlich als Grund hören, dass der Staat die Bankengezwungen hat, Leuten ohne Geld Kredite zu geben. Manchmal wird diese Geschichte noch mit bunten Details ausgeschmückt, etwa mit einer angeblichen Klage, mit der Bill Clinton die Banker überziehen wollte, wenn sie kein Geld für seine Wähler aus den diversen Minderheiten lockermachen. Aber am Ende steht hauptsächlich einer als der große Schurke da: Big Government, das mit dem Community Reinvestment Act (CRA) von 1977 die armen Banker zu Dingen gezwungen hat, die sie nie und nimmer freiwillig getan hätten.
Folgt man diesem Mythos, trifft die verehrte Marktwirtschaft keinerlei Schuld an der Wirtschaftskatastrophe. Das Problem ist nur, dass er vollständig an der Realität vorbeigeht. Die Banken vergaben zweifelhafte Kredite, weil sie es für profitabel hielten, nicht weil ein dreißig Jahre altes Gesetz plötzlich Wirkung zeigte und sie dazu zwang. Der CRA ist niemals aktiv durchgesetzt worden, was in den Banken auch allgemein bekannt war, und der CRA hat rein gar nichts mit den fragwürdigen Kreditvergabepraktiken und Schattenbanken zu tun, die die ganze Krise auslösten, noch waren die traditionellen Banken gezwungen, riskante oder gar betrügerische Kredite zu vergeben. Ganz im Gegenteil: der
Financial Crisis Inquiry Report
kommt zu dem Schluss, dass Kredite, die nach den Richtlinien des CRA vergeben wurden, in aller Regel erstklassig waren und in den Folgejahren keine Probleme bereiteten. [27]
Doch wie immer, wo Fakten und ideologische Vorurteile einander widersprechen, gewinnen die ideologischen Vorurteile. Viele Geschäftsleute haben die Erfahrung gemacht, dass Kreditvergaberichtlinien nur gelockert werden, wenn sich die Bundesbehörden einmischen. Und das augenfälligste Beispiel für eine solche Lockerung – oder wahrgenommene Bevorzugung, wie Historiker, die sich mit Kleinunternehmen beschäftigt haben, nachweisen konnten [28] – betrifft Unternehmen, deren Besitzer ethnischen Minderheiten angehören, die gelegentlich von staatlicher Förderung profitieren. Der Gedanke, dass dies auch Hypotheken einschließt, dass also Washington die Banken gezwungen hat, Angehörigen ethnischer MinderheitenKredite zu Sonderbedingungen einzuräumen, liegt dann nicht allzu fern. Und schon kommt man zu dem Schluss, dass die gesamte Finanzkrise eine Folge der staatlichen Einmischung in Dinge war, die ausschließlich Privatangelegenheit sein sollten und dies früher auch waren.
Und die Bailouts! Der durchschnittliche Unternehmer musste es einfach
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