Arme Milliardäre!: Der große Bluff oder Wie die amerikanische Rechte aus der Krise Kapital schlägt
seiner Besitzanteile zustehen, und in keinem einzigen dieser stümperhaft geführten Institute hat man das Management ausgetauscht. [∗] Und ob es um das Insolvenzrecht oder den »JOBS Act« ging, jedes Mal, wenn es in den nun folgenden Jahren zu politischen Unstimmigkeiten kam, machte das Obama-Team der Wall Street weitere Zugeständnisse, als wäre sie es, die beschwichtigt werden müsste.
Nach den Maßstäben Washingtons tat die Regierung Obama damit genau das Richtige. Dem TARP zuzustimmen und dann die Bailout-Politik der Bush-Regierung fortzusetzen, waren Akte politischer Reife, die der ganzen Welt zeigten, dass man den Demokraten zutrauen konnte, sich über Parteiengezänk zu erheben, harte Entscheidungenzu treffen, bittere Pillen zu schlucken, Verantwortung zu übernehmen und so weiter und so fort, die Liste der entsprechenden Klischees hinab. Dem gegenwärtigen Denken zufolge sind sämtliche politischen Auseinandersetzungen Kämpfe um die »Mitte«. Da die Demokraten eine Partei der »Linken« sind, können sie ihre Kritiker nur besänftigen, indem sie sich nach »rechts« bewegen. Das ist der Grund, weshalb Präsident Obama – um diejenigen zu beruhigen, die seine Radikalität fürchten – der Unternehmenswelt (will sagen: Wall Street) Zugeständnisse machen musste und weshalb er Personen aufbot, die nicht als Bedrohung empfunden wurden, und sich von ihnen sein Wirtschaftsprogramm entwerfen ließ.
Der wirtschaftliche Wahnsinn dieser Strategie sollte mittlerweile augenfällig sein. Dass sie auch zu einem Desaster bei den nächsten Wahlen führen könnte, ist den hartgesottenen Beratern des Präsidenten wahrscheinlich nie in den Sinn gekommen. Schließlich hat Bill Clinton immer nur Siege eingefahren, wenn er die Interessen der Wall Street bediente. Es galt in den Neunzigern als überaus clever, sich schließlich doch in die Realitäten der Marktwirtschaft zu fügen – als staatsmännische Klugheit gegenüber der unleugbaren Triftigkeit konservativer ökonomischer Ideen. Und die Washingtoner Demokraten blicken auf die Clinton-Jahre wie auf eine Art Goldenes Zeitalter zurück.
Doch die schlechten Zeiten, die dann anbrachen, machten dieses gesamte Denken so obsolet wie Computerdisketten. Auch wenn die Demokraten es offenbar nicht mitbekamen: Die Große Rezession justierte den gesellschaftlichen Kompass neu. Nichts funktionierte mehr wie in den Neunzigern. Es ging nicht mehr um »links« gegen »rechts«. Es ging nun um Partikularinteressen gegen das Gemeinwohl. Die Zeit war reif für einen neuen FDR, nicht für Clinton den Zweiten.
Die Rechte verstand das sofort, wie die Fülle ihrer Aktionen, Ideen und Manifeste bezeugt. Das Land sehnte sich nach philosophischer Führung, und die Rechte lieferte genau das. Die Konservativen nahmen für sich in Anspruch, für die Leute zu sprechen, die von derRezession gebeutelt waren, und wie ich darzulegen versucht habe, eigneten sie sich dabei den Tonfall und die Insignien traditioneller Aufrührer in harten Zeiten an. Und siehe da: Im April 2011 war es so weit, dass die
National Review
den Autor des Buchs
Down with Big Business,
den republikanischen Kongressabgeordneten Paul Ryan, auf dem Cover als neuen FDR präsentierte, wobei sie auf das gleiche Foto zurückgriff, das vom
Time Magazine
2008 für Barack Obama genutzt worden war.
Die Washingtoner Demokraten aber brauchten Jahre, um zu begreifen, dass sich die Lage geändert hatte. So bestand beispielsweise Präsident Obamas Reaktion auf das Wahldesaster von 2010 darin, den bereits unter Clinton tätigen ehemaligen Investmentbanker Rahm Emanuel zu ersetzen durch … den ebenfalls bereits unter Clinton tätigen ehemaligen Investmentbanker Bill Daley. Wem meinte der Präsident mit diesem Schachzug entgegenzukommen? Sagen Sie’s mir, denn ich verstehe es nicht.
Der Tiefpunkt kam während der Debatte über die Schuldenobergrenze im Sommer 2011, als die neue republikanische Abgeordnetenhausmehrheit mit populistischem Starrsinn für den Fall, dass sie ihren Willen nicht bekam, damit drohte, die Zahlungsunfähigkeit der US-Regierung herbeizuführen. Die Republikaner hielten sich genau an ihr Drehbuch – indem sie noch weiter nach rechts schwenkten, führten sie die Katastrophe herbei, die sie zuvor jahrelang an die Wand gemalt hatten – und Obama hielt sich an seins. Da er geschickterweise einige Monate zuvor alle Druckmittel aus der Hand gegeben hatte, erklärte Obama nunmehr, er werde den Forderungen der Republikaner
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