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"Arschtritt" - Senzel, H: "Arschtritt"

"Arschtritt" - Senzel, H: "Arschtritt"

Titel: "Arschtritt" - Senzel, H: "Arschtritt" Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holger Senzel
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mittelmäßig. Manchmal fällt mir im Gespräch die richtige Vokabel nicht ein. Ich schummele mich da meist ganz routiniert mit Umschreibungen aus der Affäre. Ich stoße jeden Tag
beim Zeitunglesen auf unbekannte Wörter – das Englische hat einen viel größeren Wortschatz als Deutsche. Natürlich begreife ich, um was geht, auch wenn ich nicht jedes einzelne Wort verstehe – aber mir entgehen zuweilen Zwischentöne und Feinheiten. Meine Reportagen für den NDR verfasse ich ohnehin auf Deutsch, und ich spreche Deutsch mit den Kollegen in Hamburg und Köln. »I think, I’ve to polish my English«, erkannte Lech Wałęsa bei seinem ersten Staatsbesuch in London. Und Margaret Thatcher antwortete spitz: »I think, your English is polish enough.« Wie oft habe ich mir schon vorgenommen, mein Englisch zu polieren. Indem ich all die unbekannten Wörter, die mir täglich begegnen, nicht lässig überlese – sondern nachschlage und lerne. Der Buchhalter in mir jubiliert. Ich habe eine neue »Arschtritt«-Rubrik entdeckt, die ich logistisch vernetzen muss: Vokabeln lernen. Jeden Tag 10 Stück. 300 Wörter im Monat. Fast 4000 im Jahr! Manchmal stößt man damit allerdings im Alltag an Grenzen. Ich habe in keinem Dictionary das englische Wort für »Dunstabzugshaube« gefunden, als ich einen neuen Filter brauchte. Inzwischen weiß ich es: Extractorhood. Und werde dieses Wort in meinem ganzen Leben nicht mehr vergessen.
    Tag 11 – Mit Goethe auf Robinson-Tour
    Ich habe mein Handy ausgeschaltet! Bin unerreichbar! Sitze im Cockpit meines Bootes und blicke aufs Wasser. Die Sonne scheint, Lichtreflexe tanzen auf den Wellen, die glucksend gegen die Bordwand plätschern und mich sanft wiegen. Gestern Nachmittag bin ich für ein freies Wochenende nach Hamburg geflogen. Habe ein paar
Vorräte eingekauft und auf mein Segelboot verladen – und sofort die Leinen losgemacht.
    Bevor ich nach London ging, habe ich mein großes Wohnschiff verkauft und mir dieses Boot gekauft. Ein solides, geräumiges, holländisches Plattbodenschiff aus Stahl. Plomp heißt es und sieht auch so aus. Ein bisschen wie ein Kinder-Piratenschiff. Es gibt keinen Ort auf der Welt, an dem ich so gut entspannen kann, an dem ich mich so frei und unabhängig fühle. Meine weitesten Reisen führten mich nach Dänemark und Holland, aber ums Ankommen geht es mir gar nicht. Ich setze mir kein Ziel, wenn ich zu einer Urlaubsreise aufbreche, sondern schaue, wie weit ich komme. Von Hamburg nach Kiel sind es mit dem Auto 45 Minuten. Mit dem Schiff brauche ich drei Tage. Aber was ich alles erlebe in dieser Zeit!
    Eine sternenklare Nacht in einer einsamen Bucht. Ein Unwetter mit Blitz und Donner und sturzbachartigem Regen. Ozeanriesen vor Brunsbüttel. Gemütliches Dahintuckern mit zehn Kilometern in der Stunde im Kanal, und am Ufer ziehen die Fahrradfahrer an mir vorbei. Und ich kann jederzeit und überall festmachen oder den Anker werfen und habe alles dabei, was ich brauche. Ein Dach über dem Kopf, ein Bett, Vorräte zum Kochen, meine Musik. Das Prinzip Schnecke. Ich habe jede Menge Einträge fürs Buch der glücklichen Momente an Bord gesammelt. Es gab aber auch beängstigende Situationen und unangenehme Erlebnisse. Ein Sturm in der Elbmündung. Eine Kollision mit einem steinernen Leitdamm vor der Oste. Ein Ruderbruch auf der Weser. Die meisten hätte ich mit mehr Umsicht vermeiden können. Aber am Ende haben wir es immer wieder gemeistert.
Wir – Plomp und ich. Ein Schiff ist für mich nicht einfach ein Fahrzeug, sondern ein Gefährte. Oder besser: eine Gefährtin – denn Schiffe sind grundsätzlich immer weiblich. Eine Gefährtin, mit der du durch dick und dünn gehst. Jedenfalls wenn du dich um sie kümmerst und sie pflegst. Wenn Du immer »Klarschiff« machst.
    Jetzt habe ich vor Schweinesand geankert – das ist eine unbewohnte Elbinsel, nur eine Bootsstunde von Hamburg entfernt. Da gibt es Sandstrände, Wiesen und Wald – und vor allem Einsamkeit. Ich habe Goethes Faust mitgenommen. Ich dachte, das passt. Ein Mann auf seinem Boot, einsam in der Natur und die ganz großen Sinnfragen. Ich habe nur dieses eine Buch dabei. Diese wunderschöne Insel-Dünndruckausgabe im Ledereinband. Eine Freundin hat es mir zum 22. Geburtstag geschenkt. Seitdem habe ich mir immer wieder vorgenommen, den Faust zu lesen. Vielleicht fange ich heute endlich damit an. Einstweilen tue ich gar nichts, sitze stundenlang da und schaue einfach nur aufs Wasser – wie es kommt und geht. Die

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