"Arschtritt" - Senzel, H: "Arschtritt"
und die beiden Typen in der British
Airways-Uniform stehen da völlig entspannt und plaudern gut gelaunt. »BA ist wirklich das Letzte!«, platzt es aus mir heraus, »die übelste Airline, die ich kenne!« Einer dreht sich um, lächelt mich freundlich an und sagt: »Da haben Sie vermutlich recht, Sir. War wohl ein harter Tag heute, was?« Nein, nicht »war« – der kommt erst noch.
Tag 13 – Wo bleibt eigentlich die ganze Kohle?
Alle Achtung, der Alte an der Supermarktkasse hat die Ruhe weg. Seelenruhig packt er seine Einkäufe in Plastiktüten, ohne Hast, ein Teil nach dem anderen – aber er ist weit entfernt davon, seine Brieftasche zu zücken. Und die Schlange hinter der Kasse wird länger und länger. Ich sollte es inzwischen wissen: Man kann in England nicht mal schnell einkaufen. Die Kassiererin hilft dem Alten ebenfalls ohne Hast, den Rest seiner Sachen einzupacken. Er macht irgendein Scherzchen, über das die Kassiererin herzlich lacht, während er sich endlich bequemt, seine Brieftasche herauszukramen. Es folgt der bewundernswerte Versuch der Kassiererin, einer Polin, die kaum ein Wort Englisch spricht, die Finessen einer Buy one – get one-free -Aktion zu erklären, während die Schlange der Wartenden noch länger wird. Endlich hat die Polin es begriffen – Kundin und Verkäuferin lächeln sich erleichtert an und verlassen gemeinsam die Kasse, um ein zweites Windelpaket aus dem Laden zu holen. Ich bin mehrfach kurz davor, wutschnaubend zu gehen – in einer Schlange vor einer verwaisten Kasse. Aber ich bin schon zu weit vorne und hinter mir stehen noch 28 Leute.
Plötzlich fragt einer gereizt, warum es denn nicht weitergeht und ob man keine zweite Kasse öffnen könne.
Die anderen in der Schlange gucken sich verschämt und betreten an – so etwas ist immer peinlich, wenn einer sich nicht im Griff hat. Ein Ausländer – klar. Ich lächle meinem Nebenmann verschwörerisch zu, wir tauschen ein paar Floskeln über den Inhalt unserer Einkaufswagen aus. Als ich endlich meine Einkäufe auf das Band lege, meint die Verkäuferin, dass 99 Pence für eine Knoblauchzehe ganz schön teuer seien. »Ist ja auch eine große«, erwidere ich lächelnd, und sie erklärt mir, wie ich Knoblauch zu Hause im Blumentopf ziehen kann. Die Tüten mit meinen Einkäufen fertig gepackt ziehe ich die Kreditkarte durch das Lesegerät. »Sorry, Love«, sagt die Verkäuferin, »aber die Karte funktioniert nicht.« Ich versuche es ein zweites und ein drittes Mal – aber das Ergebnis ist immer dasselbe: declined – gesperrt. 86 Pfund habe ich natürlich nicht bar bei mir, also lasse ich die vollen Einkaufstüten stehen und schleiche mich beschämt von dannen, während die Kassiererin sich noch einmal für die Umstände entschuldigt.
86 Pfund, das sind 120 Euro. Ohne den peinlichen Zwischenfall wäre mir die Summe nicht einmal bewusst gewesen. Ich hätte unterschrieben oder meine Gemeinzahl eingetippt und mir weiter keine Gedanken gemacht. Jetzt will ich es endlich wissen, wo eigentlich meine ganze Kohle bleibt. Auf 1500 Pfund beläuft sich die letzte Kreditkartenrechnung, über 2000 Euro. Bislang hat mich das nie interessiert, weil immer genug da und mein Dispo hoch genug war, um mir zu kaufen, wonach mir der Sinn stand. Dieses tolle Multitool beispielsweise mit Zange und Drahtschneider dran, falls ich mal aus einem Gefangenenlager ausbrechen muss – 72 Pfund. Eine
superschicke LED-Taschenlampe fürs Boot – 38 Pfund. GPS-Empfänger – 118 Pfund. Polarisierte Sonnenbrille – 68 Pfund. Wasserdichte Wanderstiefel – 99 Pfund. Der größte Posten sind 460 Pfund für eine neue Spiegelreflexkamera. Die musste ich unbedingt und sofort haben, als ich sie gesehen habe. Und jetzt liegt sie in der Ecke, weil sie viel zu groß und sperrig ist und ich es albern finde, mit so einem Monsterteil vorm Bauch herumzulaufen. Leider ist die 14-tägige Rückgabefrist bereits verstrichen, außerdem hatte ich sowieso die Originalverpackung nicht mehr. Meine Schränke sind voll mit Sachen, die ich irgendwann mal glaubte, unbedingt haben zu müssen. Vieles davon schmeiße ich jetzt leichten Herzens auf den Müll.
Meine Schränke sind voll mit Sachen, die ich irgendwann mal glaubte, unbedingt haben zu müssen. Vieles schmeiße ich jetzt leichten Herzens auf den Müll.
Konsumverzicht fällt mir fast noch schwerer als Alkohol- und Nikotinabstinenz. Ich bin süchtig nach Kaufen und Jetzt-und-sofort-haben-Wollen. Ich verbringe viele lange Abende damit,
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