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Arthur & George

Arthur & George

Titel: Arthur & George Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Barnes
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stumm.
    »George, Elizabeth Foster beklagt sich, dass du sie merkwürdig ansiehst.«
    George ist verblüfft. Elizabeth Foster ist das neue Mädchen; sie ist seit einigen Monaten bei ihnen. Sie trägt Dienstmädchenkleidung, wie alle früheren Mädchen.
    »Wie meint sie das, Vater?«
    »Was glaubst du, was sie meint?«
    George denkt eine Weile nach. »Meint sie etwas Sündhaftes?«
    »Und wenn ja, was könnte das sein?«
    »Meine einzige Sünde besteht darin, Vater, dass ich sie kaum wahrnehme, obwohl ich weiß, dass auch sie ein Geschöpf Gottes ist. Ich habe nicht mehr als zweimal mit ihr gesprochen, und das war, wenn sie etwas verlegt hatte. Ich habe keinen Grund, sie anzusehen.«
    »Überhaupt keinen Grund, George?«
    »Überhaupt keinen Grund, Vater.«
    »Dann werde ich ihr sagen, dass sie ein törichtes und boshaftes Mädchen ist, und wenn sie noch einmal Anlass zur Klage gibt, wird sie entlassen.«
    George drängt es zu seinen lateinischen Verben, und das Schicksal Elizabeth Fosters kümmert ihn nicht. Er macht sich nicht einmal Gedanken darum, ob es eine Sünde ist, dass ihn ihr Schicksal nicht kümmert.

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Arthur
    Es wurde beschlossen, dass Arthur auf der Universität von Edinburgh Medizin studieren sollte. Er war fleißig und zuverlässig; im Laufe der Zeit würde er gewiss auch die Gleichmütigkeit erlangen, in die Patienten gern ihr Vertrauen setzen. Der Plan fand Arthurs Zustimmung, obwohl seine Quelle ihm verdächtig war. Die Mama hatte die medizinische Fakultät erstmals in einem Brief nach Feldkirch vorgeschlagen, einem Brief, der keinen Monat nach Dr. Wallers Einzug in ihr Haus abgeschickt worden war. Bloßer Zufall? Arthur hoffte es; die Vorstellung, seine Mutter und dieser Eindringling hätten seine Zukunft miteinander besprochen, behagte ihm gar nicht. Selbst wenn dieser Eindringling ein approbierter Arzt und ein Dichter mit publizierten Werken war, wie man Arthur immer wieder vor Augen hielt. Selbst wenn Wallers Onkel der Jahrmarkt der Eitelkeiten zugeeignet war.
    Es fügte sich offenbar auch allzu bequem, dass Waller sich nun erbot, ihn auf ein Stipendium vorzubereiten. Arthur nahm das Angebot mit jugendlichem Unmut an, was ein mahnendes Wort der Mama zur Folge hatte. Er war nun schon beträchtlich größer als sie, und ihr Haar, das seine blonde Farbe bereits verloren hatte, wurde dort, wo es hinter die Ohren gestrichen wurde, allmählich weiß; doch ihre grauen Augen, ihre ruhige Stimme und die von Augen und Stimme ausgehende moralische Autorität waren so stark wie eh und je.
    Waller erwies sich als ausgezeichneter Tutor. Gemeinsam paukten sie die Klassiker mit dem Ziel, das Grierson-Stipendium zu gewinnen: £ 40 im Jahr, und das zwei Jahre lang, wären eine große Hilfe für den Haushalt. Als der Brief eintraf und die ganze Familie in gemeinsamen Jubel ausbrach, empfand Arthur das als seine erste wahre Leistung, seine erste große Tat, um der Mutter für ihre jahrelangen Opfer zu danken. Alle gratulierten und küssten einander; Lottie und Connie wurden geradezu lächerlich sentimental und weinten wie kleine Mädchen, die sie ja auch waren; und Arthur beschloss großmütig, sein Misstrauen gegen Waller aufzugeben.
    Ein paar Tage darauf sprach Arthur in der Universtität vor, um seinen Preis geltend zu machen. Er wurde von einem kleinen, verlegenen Beamten empfangen, dessen genaue Position nie offengelegt wurde. Es sei alles höchst bedauerlich. Man wisse noch nicht, wie das habe passieren können. Ein Fehler der Schreibstube, wahrscheinlich. Das Grierson-Stipendium stehe nur für Kunststudenten zur Verfügung. Arthurs Bewerbung hätte gar nicht berücksichtigt werden dürfen. In Zukunft werde man Vorkehrungen treffen und so weiter.
    Aber es gebe doch andere Preise und Stipendien, wandte Arthur ein – eine ganze lange Liste. Dann werde man ihm wohl eins von denen geben. Ähm, ja, das wäre denkbar, theoretisch zumindest; in der Tat sei das nächste Stipendium auf der Liste für Medizinstudenten ausgeschrieben. Unglücklicherweise sei es bereits einem anderen zugesprochen worden. Wie, nun ja, alle übrigen auch.
    »Aber das ist gemeiner Raub«, rief Arthur. »Gemeiner Raub!«
    Gewiss, es sei äußerst bedauerlich. Vielleicht ließe sich etwas machen. Und in der Woche darauf ließ sich etwas machen. Arthur wurde ein Schmerzensgeld von £ 7 gewährt. Dieser Betrag hatte sich in einem vergessenen Fonds angesammelt, und die Behörden geruhten großmütig, ihn Arthur zukommen zu lassen.
    Das

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