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Arthur & George

Arthur & George

Titel: Arthur & George Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Barnes
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darum will George ihm zu Hilfe kommen. »Ist eine Belohnung darauf ausgesetzt?«
    Der Sergeant wirkt überrascht. »Warum willst du denn wissen, ob eine Belohnung ausgesetzt wurde? Ausgerechnet du?«
    George versteht das so, dass es keine Belohnung gibt. Vielleicht will der Polizist ihn nur beglückwünschen, weil er verlorenes Gut zurückgegeben hat. »Haben Sie herausgefunden, woher er stammt?«
    Auch darauf gibt Upton keine Antwort. Stattdessen zückt er ein Notizbuch und einen Stift.
    »Name?«
    »Sie kennen doch meinen Namen.«
    »Name, hab ich gesagt.«
    Der Sergeant könnte wirklich höflicher sein, denkt George.
    »George.«
    »Ja. Weiter.«
    »Ernest.«
    »Weiter.«
    »Thompson.«
    »Weiter.«
    »Sie kennen doch meinen Familiennamen. Ich habe denselben Namen wie mein Vater. Und meine Mutter.«
    »Weiter, hab ich gesagt, du hochnäsiger kleiner Wicht.«
    »Edalji.«
    »Ah ja«, sagt der Sergeant. »Das wirst du mir wohl buchstabieren müssen.«

[Menü]
Arthur
    Arthurs Ehe begann, wie sein bewusstes Leben, mit dem Tod.
    Er schloss seine Ausbildung zum Arzt ab, übernahm Vertretungen in Sheffield, Shropshire und Birmingham und dann einen Posten als Schiffsarzt auf dem Walfänger Hope . Das Schiff fuhr von Peterhead bis ins arktische Eis, um Robben und anderes Getier aufzuspüren, das man jagen und töten konnte. Arthurs Aufgaben waren leicht, und da er ein ganz gewöhnlicher junger Mann war, der beim Trinken und, wenn nötig, auch beim Raufen fröhlich mittat, gewann er rasch das Vertrauen der Mannschaft; auch fiel er so oft ins Meer, dass er den Spitznamen Eistaucher bekam. Und wie jeder andere gesunde Brite hatte er Freude an einer guten Jagd: Auf dieser Fahrt erbeutete er fünfundfünfzig Robben.
    Wenn sie draußen im unendlichen Eis waren und Robben totschlugen, war das für ihn wenig mehr als ein kraftvoll-männlicher Wettstreit. Doch eines Tages fingen sie einen Grönlandwal, und dieses Erlebnis war für ihn anders als alles, was er bisher gekannt hatte. Es mag ein königliches Spiel sein, seine Kräfte mit einem Lachs zu messen, doch wenn die arktische Beute schwerer ist als eine Vorstadtvilla, lässt das jeden Vergleich verblassen. Arthur stand keine Handbreit entfernt, als er zusah, wie sich das Auge des Wals – zu seinem Erstaunen nicht größer als das eines Ochsen – im Tode allmählich trübte.
    Das Mysterium des Opfers: Etwas in seinem Denken hatte sich verändert. Er schoss weiter Enten aus dem schneeigen Himmel und war stolz auf seine Treffsicherheit; doch dahinter lag ein Gefühl, das er erhaschen, aber nicht greifen konnte. Jeder Vogel, den man vom Himmel holte, trug im Magen Kiesel von einem Land, das auf keiner Karte verzeichnet war.
    Danach fuhr er nach Süden; die Mayumba nahm von Liverpool aus Kurs auf die Kanarischen Inseln und die afrikanische Westküste. Getrunken wurde an Bord nach wie vor, doch gekämpft wurde nur noch am Bridgetisch und am Cribbagebrett. Falls er bereute, die Gummistiefel und zwanglose Kleidung eines Walfängers gegen die Messingknöpfe und Kammgarnanzüge eines Passagierschiffs eingetauscht zu haben, fand er hier zum Ausgleich wenigstens weibliche Gesellschaft. Eines Abends verknoteten ihm die Damen aus Jux die Bettlaken, und am nächsten Abend übte er gutmütig Rache, indem er in einem ihrer Nachthemden einen Fliegenden Fisch versteckte.
    Er kehrte aufs Festland, zur Vernunft und zu einer Karriere zurück. Er hing sein Messingschild in Southsea heraus. Er wurde Freimaurer und im 3 . Grad in die Phönix-Loge Nr. 257 aufgenommen. Er wurde Kapitän des Portsmouth Cricket Club und galt als einer der verlässlichsten Fußball-Verteidiger in Hampshire. Dr. Pike, wie er Mitglied im Southsea Bowling Club, überwies Patienten an ihn; die Gresham Life Insurance Company beauftragte ihn mit medizinischen Untersuchungen.
    Eines Tages bat Dr. Pike ihn um seine Meinung zu einem jungen Patienten, der vor kurzem mit seiner verwitweten Mutter und seiner älteren Schwester nach Southsea gezogen war. Dieses Einholen einer zweiten Meinung war bloße Höflichkeit: Es lag klar auf der Hand, dass Jack Hawkins an Meningitis litt, und dagegen konnte die gesamte Ärzteschaft, geschweige denn Arthur, nichts ausrichten. Kein Hotel und keine Pension wollte dem armen Burschen Unterkunft gewähren, daher erbot sich Arthur, ihn als seinen Patienten im eigenen Haus aufzunehmen. Hawkins war nur einen Monat älter als sein Gastgeber. Trotz unzähliger Gaben von Pfeilwurz, die ihm Linderung

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