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Arthur & George

Arthur & George

Titel: Arthur & George Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Barnes
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ihnen vertraut wurde. Sie war stets zu einem Lächeln bereit, ertrug aber keine Späße, die etwas Grausames hatten oder die Überlegenheit des Spaßvogels ausnutzten. Sie hatte ein offenherziges, großzügiges Wesen, einen lieblichen Lockenkopf und ein kleines eigenes Einkommen.
    Im Umgang mit Frauen hatte Arthur bislang den ehrbaren Flirter gespielt. Während sie jetzt durch diesen konzentrischen Ferienort spazierten, während sie lernte, sich bei ihm unterzuhaken, während ihr Name sich in seinem Mund von Louisa zu Touie wandelte, während er, wenn sie sich umdrehte, verstohlen ihre Hüften betrachtete, wusste er, dass er mehr wollte als einen Flirt. Auch meinte er, sie werde einen besseren Menschen aus ihm machen, was schließlich eine der Grundfesten der Ehe war.
    Zunächst aber musste die junge Kandidatin von der Mama gutgeheißen werden, die zur Inspektion in Hampshire anreiste. Sie fand Louisa schüchtern, fügsam und aus anständiger, wenn auch nicht vornehmer Familie. Sie konnte nichts Gewöhnliches an ihr entdecken und keine erkennbare moralische Schwäche, die ihren geliebten Sohn in Verlegenheit bringen könnte. Auch schien das Mädchen frei von verborgenem Dünkel, sodass es sich in künftigen Zeiten wohl kaum gegen Arthurs Autorität auflehnen würde. Die Mutter, Mrs Hawkins, wirkte gefällig und respektvoll zugleich. Als die Mama ihre Zustimmung gab, erlaubte sie sich sogar darüber nachzusinnen, dass Louisa etwas an sich haben mochte – gerade jetzt, wenn sie so im Licht stand –, das an sie selbst in jüngeren Jahren erinnerte. Und war das schließlich nicht alles, was eine Mutter sich wünschen konnte?

[Menü]
George
    Seit dem Eintritt ins Mason College hat George sich angewöhnt, abends nach der Rückkehr aus Birmingham meist über die Feldwege zu streifen. Das dient nicht der körperlichen Ertüchtigung – davon hatte er in Rugeley genug für sein ganzes Leben –, sondern der Klärung des Kopfes, bevor George sich wieder an die Bücher setzt. Doch oft genug verfehlt es seine Wirkung, und die Vertracktheiten des Vertragsrechts gehen ihm nicht aus dem Sinn. An diesem kalten Januarabend steht ein Halbmond am Himmel, und das Gras am Wegesrand glänzt noch vom Frost der vergangenen Nacht. George murmelt seinen Vortrag für die morgige Übung zu einem hypothetischen Sachverhalt vor sich hin – es geht dabei um vergiftetes Mehl in einem Kornspeicher –, als eine Gestalt hinter einem Baum hervorspringt.
    »Unterwegs nach Walsall, eh?«
    Es ist Sergeant Upton, rotgesichtig und schnaufend.
    »Wie bitte?«
    »Du hast doch gehört, was ich gesagt habe.« Upton baut sich direkt vor ihm auf und sieht ihn auf eine Art an, die George bedrohlich findet. Er fragt sich, ob der Sergeant ein bisschen übergeschnappt ist; in dem Fall wäre es das Beste, geduldig auf ihn einzugehen.
    »Sie haben gefragt, ob ich unterwegs nach Walsall bin.«
    »Du hast also tatsächlich Ohren, verdammt nochmal.« Er schnauft wie – wie ein Pferd oder ein Schwein oder etwas in der Art.
    »Ich habe nur überlegt, warum Sie das fragen, da dies nicht der Weg nach Walsall ist. Wie wir beide wissen.«
    »Wie wir beide wissen. Wie wir beide wissen.« Upton tritt einen Schritt vor und packt George an der Schulter. »Was wir beide wissen, was wir beide wissen, ist, dass du den Weg nach Walsall kennst und ich den Weg nach Walsall kenne, und in Walsall hast du deine kleinen Streiche ausgeheckt, stimmt’s?«
    Der Sergeant ist jetzt eindeutig übergeschnappt, und er tut ihm weh. Ob es etwas nützt, wenn er darauf verweist, dass er seit zwei Jahren nicht mehr in Walsall war? Damals hatte er dort Weihnachtsgeschenke für Horace und Maud gekauft.
    »Du warst in Walsall, du hast den Schlüssel zur Schule genommen, du hast ihn nach Hause gebracht, und du hast ihn auf deine eigene Treppe gelegt, stimmt’s?«
    »Sie tun mir weh«, sagt George.
    »O nein, das tu ich nicht. Ich tu dir nicht weh. Das tut gar nicht weh. Wenn Sergeant Upton dir wehtun soll, brauchst du es nur zu sagen.«
    Jetzt kommt George sich so vor wie damals, als er auf die ferne Tafel starrte und keine Ahnung hatte, wie die richtige Antwort lauten könnte. Er kommt sich so vor wie damals, als er sich beschmutzte. Ohne recht zu wissen warum, sagt er: »Ich werde Solicitor.«
    Der Sergeant lockert den Griff, tritt ein Stück zurück und lacht George ins Gesicht. Dann spuckt er auf Georges Stiefel.
    »Das glaubst du wohl, ja? Ein So-li-ci-tor? Was für ein großes Wort für einen

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