Arthur & George
die Droschkentüren während der Fahrt zum Gericht in Cannock. Wenn solche Hitzköpfe ihm auf den Feldwegen von Great Wyrley auflauerten, würde er sich nicht sicher fühlen.
Es gab aber noch einen anderen Grund, warum er lieber im Gefängnis blieb. Jeder wusste, wo er war; er wurde den ganzen Tag lang unablässig bespitzelt und überwacht. Wenn nun eine weitere Untat geschah, wäre klar, dass er mit alldem nichts zu tun hatte. Und wenn die Unhaltbarkeit des ersten Punkts der Anklage erwiesen war, müsste der zweite – die groteske Behauptung, er habe gedroht, einen Mann zu ermorden, den er nie gesehen hatte – gleichfalls zurückgezogen werden. Es war ein seltsames Gefühl, dass er als Solicitor nun sogar hoffte, es werde wieder ein Tier verstümmelt; ein weiteres Verbrechen schien ihm jedoch der schnellste Weg in die Freiheit zu sein.
Aber selbst wenn es zur Hauptverhandlung käme, stand der Ausgang des Verfahrens außer Zweifel. George hatte seine Gelassenheit wie auch seinen Optimismus wiedergewonnen; er brauchte weder Mr Meek noch seinen Eltern etwas vorzuspielen. Er sah bereits die Schlagzeilen vor sich. MANN AUS GREAT WYRLEY UNSCHULDIG. SCHÄNDLICHE VERFOL GUNG EINES HIESIGEN SOLICITORS. ZEUGEN DER POLIZEI ALS UNFÄHIG ERWIESEN. Vielleicht sogar CHIEF CONSTABLE ZURÜCKGETRETEN.
Mr Meek hatte George mehr oder weniger davon überzeugen können, dass es recht gleichgültig war, wie ihn die Zeitungen darstellten. Am 21 . September schien es noch gleichgültiger zu werden, denn da wurde auf Mr Greens Bauernhof ein Pferd mit aufgeschlitztem Bauch aufgefunden, aus dem die Eingeweide heraushingen. George nahm die Nachricht mit so etwas wie verhaltenem Jubel auf. Er konnte schon hören, wie sich Schlüssel in Schlössern drehten, roch die frühe Morgenluft und den Puder seiner Mutter, wenn er sie in die Arme schloss.
»Das ist der Beweis, dass ich unschuldig bin, Mr Meek.«
»Nicht unbedingt, Mr Edalji. Ganz so weit können wir wohl noch nicht gehen.«
»Aber ich sitze doch hier im Gefängnis …«
»Was in den Augen des Gerichts lediglich beweist, dass Sie an der Verstümmelung von Mr Greens Pferd vollkommen unschuldig sind und sein müssen.«
»Nein, es beweist, dass die Vorfälle vor und nach dem Grubenpony in einem Zusammenhang stehen, und jetzt ist klar, dass ich damit absolut nichts zu tun habe.«
» Ich weiß das, Mr Edalji.« Der Anwalt stützte das Kinn auf die Faust.
»Aber?«
»Aber ich finde es immer nützlich, sich in solchen Momenten vorzustellen, was der Vertreter der Anklage nach Lage der Dinge sagen könnte.«
»Und was könnte er wohl sagen?«
»Nun, als der Angeklagte in der Nacht des 17 . August von dem Stiefelmacher zurückkam, ging er, soweit ich mich erinnere, bis zu Mr Greens Hof.«
»Ja, das stimmt.«
»Mr Green ist der Nachbar des Angeklagten.«
»Das ist wahr.«
»Was also könnte für den Angeklagten in seiner gegenwärtigen Lage vorteilhafter sein, als dass ein Pferd noch näher am Pfarrhaus verstümmelt wird als bei jedem früheren Vorfall?«
Litchfield Meek sah zu, wie George sich das durch den Kopf gehen ließ.
»Sie meinen, nachdem ich für meine Festnahme gesorgt habe, indem ich anonyme Briefe schrieb, in denen ich mir selbst Verbrechen zur Last legte, die ich nicht begangen hatte, stifte ich nun einen anderen an, ein weiteres Verbrechen zu begehen, um meine Unschuld zu beweisen?«
»So in etwa, Mr Edalji.«
»Das ist vollkommen lächerlich. Ich kenne Green ja nicht einmal.«
»Ich erkläre Ihnen nur, wie die Anklage die Sache sehen könnte. Wenn sie wollte.«
»Und das wird sie ganz bestimmt. Aber die Polizei muss doch wenigstens Jagd auf den Täter machen, oder nicht? Die Zeitungen geben ganz offen zu verstehen, dass dies die Anklage in zweifelhaftem Licht erscheinen lässt. Wenn der Täter gefasst wird und sämtliche Verbrechen gesteht, dann wäre ich frei?«
»Falls das geschehen sollte, Mr Edalji, ja, dann würde ich das auch so sehen.«
»Aha.«
»Es gibt allerdings noch eine andere Entwicklung. Sagt Ihnen der Name Darby etwas? Captain Darby?«
»Darby. Darby. Ich glaube nicht. Inspector Campbell hat mich nach jemandem gefragt, der sich der Captain nennt. Vielleicht ist er das. Warum?«
»Es wurden weitere Briefe verschickt. An alle möglichen Leute, wie es scheint. Einer sogar an den Innenminister. Alle unterzeichnet mit ›Darby, Captain der Wyrley-Bande‹. Sie schildern, wie die Verstümmelungen weitergehen werden.« Mr Meek sah den
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