Arthur & George
Namen. Er wird Aidlji ausgesprochen. Aidlji . Mr Meek spricht ihn mehr oder weniger korrekt aus, aber ich hätte Sie, Mr Vachell, früher darauf aufmerksam machen sollen. Die Polizei hat, wie mir scheint, stets alles getan, um jede Korrektur von mir zu ignorieren. Dürfte ich vorschlagen, dass Mr Vachell zu Beginn der Verhandlung eine Erklärung bezüglich der Aussprache meines Namens abgibt? In der er das Gericht darauf hinweist, dass es nicht Ee-dal-ji heißt, sondern Aidlji .«
Der Barrister nickte dem Solicitor zu, und Mr Meek antwortete.
»George, wie soll ich es Ihnen erklären? Es ist natürlich Ihr Name, und natürlich werden Mr Vachell und ich bestrebt sein, ihn korrekt auszusprechen. Wenn wir hier bei Ihnen sind. Doch vor Gericht … vor Gericht … ich denke, kurz und gut: Wir sollten nicht gegen den Strom schwimmen. Wenn wir eine solche Erklärung abgäben, würden wir es uns gleich zu Anfang mit Sir Reginald Hardy verderben. Mit Aussprachelektionen hätten wir bei der Polizei wohl wenig Erfolg. Und Mr Disturnal würde diese Verwirrung, wie ich vermute, großes Vergnügen bereiten.«
George sah die beiden Anwälte an. »Ich kann Ihnen nicht recht folgen.«
»Damit will ich sagen, George, wir sollten akzeptieren, dass das Gericht das Recht hat, über den Namen des Angeklagten zu befinden. Das steht nirgendwo geschrieben, aber so sieht es mehr oder weniger aus. Was für Sie eine falsche Aussprache ist, ist für mich ein Versuch, Sie … englischer zu machen.«
George atmete tief durch. »Und weniger asiatisch?«
»Weniger asiatisch, ja, George.«
»Dann möchte ich Sie beide freundlich bitten, meinen Namen bei jeder Gelegenheit falsch auszusprechen, damit ich mich daran gewöhnen kann.«
Der Beginn der Verhandlung war für den 20 . Oktober angesetzt. Am 19 . entdeckten vier Jungen beim Spielen nahe der Sidmouth-Schonung im Richmond Park eine Leiche im Zustand fortgeschrittener Verwesung. Sie wurde als Miss Sophie Frances Hickmann identifiziert, die Ärztin aus dem Royal Free Hospital. Wie George war sie Ende zwanzig gewesen. Und, überlegte er, nur eine Zeitungsspalte von ihm entfernt.
Am Morgen des 20 . Oktober 1903 wurde George aus dem Gefängnis von Stafford nach Shire Hall gebracht. Er wurde in den Keller geführt, wo man ihm die Arrestzelle zeigte, in der die Angeklagten gewöhnlich untergebracht wurden. Als besondere Vergünstigung bekam er einen großen, niedrigen Raum mit einem einfachen Holztisch und einem Kamin zugewiesen; hier durfte er sich unter den wachsamen Augen von Constable Dubbs mit Mr Meek beraten. Er saß zwanzig Minuten lang an diesem Tisch, während Dubbs, ein muskulöser Beamter mit Kinnbart und finsterer Miene, es beharrlich vermied, ihn anzusehen. Auf ein Zeichen hin wurde George dann durch düstere, verschlungene Gänge mit unzulänglicher Gasbeleuchtung zu einer Tür geführt, die zu einer schmalen Treppe führte. Dubbs gab ihm einen sanften Stoß, und er stieg hinauf in Licht und Lärm. Als er vor aller Augen in den Gerichtssaal B hinaustrat, wandelte sich der Lärm zu Stille. George setzte sich verlegen auf die Anklagebank, wie ein Schauspieler, den man gegen seinen Willen aus der Versenkung auf die Bühne katapultiert hat.
Dann wurde vor dem Stellvertretenden Vorsitzenden Sir Reginald Hardy, je einem Laienrichter zu beiden Seiten, Captain Anson, den ordnungsgemäß vereidigten Geschworenen, Vertretern der Presse, Vertretern der Öffentlichkeit und drei Familienangehörigen die Anklageschrift verlesen. George Ernest Thompson Edalji wurde zur Last gelegt, am 17 . oder 18 . August ein Pferd verletzt zu haben, das Eigentum der Great Wyrley Colliery Company war, sowie am oder um den 11 . Juli herum Sergeant Robinson in Cannock einen Brief geschickt zu haben, in dem er ihm seine Ermordung androhte.
Mr Disturnal war eine große, elegante Erscheinung und verlor nicht viel Zeit; nach einer kurzen Eröffnungsrede rief er Inspector Campbell auf, und dann fing die ganze Geschichte von vorne an: Die Entdeckung des verstümmelten Ponys, die Durchsuchung des Pfarrhauses, die blutbefleckten Kleidungsstücke, die Haare auf dem Mantel, die anonymen Briefe, die Festnahme des Angeklagten und seine späteren Aussagen. George wusste, dass das einfach nur eine Geschichte war, ein Konstrukt aus Bruchstücken und Zufällen und Hypothesen; er wusste auch, dass er unschuldig war; doch als die Geschichte nun von einer Autorität in Robe und Perücke wiederholt wurde, gewann sie irgendwie an
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