Arthur & George
Hoffnungsschimmer in Georges Augen. »Aber nein, Mr Edalji, das bedeutet nur eins: Die Anklage muss akzeptieren, dass Sie diese Briefe mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht geschrieben haben.«
»Sie wollen mich heute Morgen wohl unbedingt entmutigen, Mr Meek.«
»Das liegt nicht in meiner Absicht. Aber Sie müssen der Tatsache ins Auge sehen, dass es zur Hauptverhandlung kommen wird. Und im Hinblick darauf habe ich mich der Dienste von Mr Vachell versichert.«
»Ah, das ist ausgezeichnet.«
»Er wird uns, denke ich, nicht enttäuschen. Und Mr Gaudy wird ihm zur Seite stehen.«
»Und wer vertritt die Anklage?«
»Mr Disturnal, bedauerlicherweise. Und Mr Harrison.«
»Ist Disturnal schlecht für uns?«
»Um ehrlich zu sein, ich hätte mir einen anderen gewünscht.«
»Mr Meek, jetzt ist es an mir, Ihnen Mut zuzusprechen. Auch der tüchtigste Barrister kann ohne Steine kein Haus bauen.«
Litchfield Meek sah George mit einem lebensklugen Lächeln an. »Im Laufe der Jahre, Mr Edalji, habe ich erlebt, wie im Gerichtssaal Häuser aus allen möglichen Baustoffen errichtet wurden. Von einigen wusste man gar nicht, dass es sie überhaupt gibt. Fehlende Steine sind für Mr Disturnal kein Hindernis.«
Trotz dieser drohenden Gefahr blieb George die restlichen Wochen im Gefängnis von Stafford ruhig und gelassen. Er wurde mit Respekt behandelt und hatte einen geordneten Tagesablauf. Er bekam Zeitungen und Post; er bereitete sich mit Mr Meek auf die Verhandlung vor; er harrte der Entwicklung im Fall Green; und er durfte in seiner Zelle Bücher haben. Sein Vater brachte ihm eine Bibel, seine Mutter je eine einbändige Ausgabe von Shakespeare und Tennyson. Diese beiden las er; dann aus bloßer Langeweile ein paar Groschenromane, die ihm ein Wärter überlassen hatte. Der lieh ihm auch eine ramponierte billige Ausgabe von Der Hund der Baskervilles . George fand das Buch hervorragend.
Er schlug die Zeitung jetzt jeden Morgen etwas weniger ängstlich auf, denn sein Name war vorerst von den Seiten verschwunden. Stattdessen nahm er mit Interesse zur Kenntnis, dass in London neue Kabinettsmitglieder ernannt wurden, dass auf dem Musikfest in Birmingham Dr. Elgars neues Oratorium aufgeführt worden war, dass Buffalo Bill eine Tournee durch England machte.
Eine Woche vor der Verhandlung lernte George Mr Vachell kennen, einen fröhlichen und korpulenten Barrister, der seit zwanzig Jahren im Gerichtsbezirk Midland tätig war.
»Wie schätzen Sie meine Prozessaussichten ein, Mr Vachell?«
»Ich schätze sie gut ein, Mr Edalji, sehr gut. Das heißt, ich halte die Anklage für skandalös und weitgehend unbegründet. Das werde ich natürlich nicht sagen. Ich werde mich lediglich auf die in meinen Augen wesentlichen Punkte Ihres Falls konzentrieren.«
»Und welche wären das?«
»Ich möchte so sagen, Mr Edalji.« Das Lächeln des Barristers war fast schon ein Grinsen. »Es gibt keinerlei Beweise, dass Sie dieses Verbrechen begangen haben. Sie hatten kein Motiv, dieses Verbrechen zu begehen. Und Sie hatten keine Gelegenheit, dieses Verbrechen zu begehen. Ich werde das für den Richter und die Geschworenen noch ein wenig ausschmücken. Aber das wird im Wesentlichen der Inhalt meines Plädoyers sein.«
»Es ist allerdings bedauerlich«, warf Mr Meek ein, »dass wir in Saal B sind.« Sein Tonfall ließ Georges vorübergehende Hochstimmung in sich zusammenfallen.
»Warum ist das bedauerlich?«
»In Saal A führt Lord Hatherton den Vorsitz. Der hat zumindest eine juristische Ausbildung.«
»Sie meinen, die Verhandlung gegen mich wird von jemandem ohne jede Rechtskenntnis geführt?«
Mr Vachell versuchte zu vermitteln. »Erschrecken Sie ihn nicht, Mr Meek. Ich habe mit beiden Sälen Erfahrung. Mit wem haben wir es in Saal B zu tun?«
»Mit Sir Reginald Hardy.«
Mr Vachell verzog keine Miene. »Sehr schön. In mancherlei Hinsicht halte ich es für vorteilhaft, keinen Pedanten mit Ambitionen auf den High Court vor mir zu haben. Man kann sich dann etwas mehr herausnehmen. Wird nicht so oft zurechtgewiesen, damit der andere seine grandiosen Kenntnisse in Verfahrensfragen zur Schau stellen kann. Alles in allem ein Vorteil für die Verteidigung, würde ich sagen.«
George spürte, dass Mr Meek anderer Meinung war; doch Mr Vachell hatte ihn beeindruckt, ob er nun vollkommen aufrichtig war oder nicht.
»Meine Herren, ich habe eine Bitte.« Mr Meek und Mr Vachell wechselten einen kurzen Blick. »Es handelt sich um meinen
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