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Artikel 5

Artikel 5

Titel: Artikel 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristen Simmons
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den Vordersitzen erhaschte ich einen Blick auf das Profil des blonden Soldaten. Morris. Sein Namensschild war mir in Erinnerung geblieben. Ich schaute durch die Windschutzscheibe hinaus. Die Trennscheibe verzerrte die Sicht. In einem Anfall von Panik erkannte ich, dass ich nach einem Van suchte. Einem Van, der nicht mehr vor uns war.
    Dann fiel mir alles wieder ein.
    Die MM . Die Festnahme. Chase.
    Wo war meine Mutter? Ich hätte aufpassen müssen! Ich schlug an die Trennscheibe, aber Morris und der Fahrer zeigten nicht die kleinste Regung. Die Scheibe war schalldicht. Von Furcht ergriffen verschränkte ich die Arme vor der Brust, lehnte mich auf dem lederbezogenen Sitz zurück und bemühte mich um Haltung.
    Ohne einen Wagen oder einen Fernseher waren wir in unserer Nachbarschaft recht isoliert gewesen. Das FBR hatte die örtliche Zeitung wegen Ressourcenknappheit dichtgemacht und den Zugang zum Internet gesperrt, um eine Rebellion zu verhindern, also konnten wir uns nicht einmal Bilder davon ansehen, wie sich unsere Stadt verändert hatte. Wir wussten, dass Louisville im Krieg vergleichsweise gut davongekommen war. Keine ausgebombten Gebäude. Keine evakuierten Gebiete. Aber auch wenn die Stadt nicht kriegsgeschädigt aussah, war sie doch nicht mehr so wie früher.
    Wir passierten das erleuchtete Tagungszentrum, das nun als Vertriebszentrum für Horizons herhalten musste. Dann den Flughafen, den man, als der kommerzielle Luftverkehr untersagt worden war, zu einer FBR -Waffenfabrik umfunktioniert hatte. Als Fort Knox und Fort Campbell in FBR -Stationen umgewandelt wurden, hatte ein starker Zustrom an Soldaten eingesetzt. Nun parkten reihenweise blaue Streifenwagen auf dem Parkplatz des alten Ausstellungsgeländes.
    Außer uns fuhr kein Wagen auf dem Freeway. Zu wissen, dass ich mit der MM unterwegs war, während nur die MM unterwegs sein konnte, umgeben von den Flaggen und Kreuzen und den Sonnenaufgangslogos, ging mir durch Mark und Bein. Ich kam mir vor wie Dorothy in einem verdrehten Zauberer von Oz .
    Eine Ausfahrt führte uns in die Innenstadt von Louisville, und am Ende der Kurve rollten wir über eine verlassene Kreuzung mit Stoppschildern an allen Zuwegen. Der Fahrer steuerte auf ein monströses, verklinkertes Hochhaus zu, dessen Erdgeschoss sich ausbreitete wie die Tentakel eines Tintenfisches. Seine gelben Augen – Fenster, erleuchtet mithilfe von Generatoren – lugten in alle Richtungen hinaus. Wir waren am städtischen Krankenhaus.
    Den Van konnte ich nirgends entdecken. Wo hatten sie meine Mutter hingebracht?
    Chase Jennings . Ich versuchte zu schlucken, aber sein Name fühlte sich auf meiner Zunge an wie kochendes Wasser, zu heiß, ihn hinunterzuwürgen.
    Wie konnte er nur? Ich hatte ihm vertraut. Ich hatte sogar geglaubt, ich würde ihn lieben, und nicht nur das, nein, auch dass er mir ein ebenso aufrichtiges Interesse entgegenbrachte.
    Er hatte sich verändert. Total.
    Der Fahrer parkte den Streifenwagen nahe am Gebäude auf einem finsteren Parkplatz. Einen Moment später öffnete Morris die Hintertür und zerrte mich am Unterarm raus. Die drei roten Linien, die meine Fingernägel auf seiner Haut hinterlassen hatten, hoben sich leuchtend am sonst weißen Hals ab.
    Das Summen der Generatoren erfüllte die Nacht, ein krasser Kontrast zu dem schalldichten Innenraum des Streifenwagens. Morris führte mich zu dem Gebäude, wo ich in den schimmernden Glasschiebetüren unter dem Notaufnahmeschild mein Spiegelbild erblickte. Blasses Gesicht. Verquollene Augen. Mein kastenförmiges Uniformhemd hing auf einer Seite herunter, wo Beth es in die Länge gezogen hatte bei dem Versuch, mich zu retten, und mein Zopf hing müde herunter.
    Wir gingen nicht hinein.
    »Ich habe mir dich immer blond vorgestellt«, sagte Morris. Sein Ton klang nichtssagend, und doch schien sich eine Spur der Enttäuschung darin zu verbergen. Wieder machte ich mir Gedanken, was Chase ihm wohl erzählt haben mochte.
    »Ist meine Mutter hier?«, fragte ich.
    »Halt die Klappe.«
    Er durfte also reden, ich aber nicht? Ich musterte ihn finster, konzentrierte mich auf die Stelle, an der meine Fingernägel bereits Blut gefordert hatten. Zu wissen, dass ich mich wehren konnte, gab mir ein bisschen mehr Mut. Der Kerl riss mich die Einfahrt entlang, wo das Scheinwerferlicht einen blauen Schulbus flutete, der einen bedrohlichen Schatten auf den Parkplatz warf. Mehrere Mädchen standen dort in einer Reihe, zu beiden Seiten eingekeilt von

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