Arto Ratamo 7: Der Finne
befahl Zar Nikolai I. den Behörden und Ärzten des zaristischen Russlands, die Ausbreitung der Cholera unter dem Volk während der Choleraepidemie in den Jahren 1829–1832 absichtlich zu fördern. Der Zar, der eine militärische Ausbildung erhalten hatte, wollte nicht nur seine aufsässigen Bürger lähmen, sondern auch herausfinden, ob man die Cholera für militärische Zwecke nutzen konnte. Schließlich erhob sich das Volk, am heftigsten in Sankt Petersburg und Sewastopol. Die Epidemie und die Gewalttaten forderten insgesamt zweihundertneunzigtausend Tote.
1848 entdeckte der russische Arzt Andrej Sermanow das Cholerabakterium (Vibrio cholerae). Zar Nikolai I. ordnete an, die Entdeckung geheimzuhalten, und befahl der Armee erneut, zu untersuchen, ob das neuentdeckte Bakterium als Mittel der Kriegführung eingesetzt werden konnte. Man begann sofort mit den Experimenten. Im südrussischen Zarizyn wurden Cholerabakterien unter den Einwohnern verbreitet, sie gerieten außer Kontrolle und führten zum Tod von drei Millionen Russen.
Sutela las die Notizen der Zusammenfassung wie im Rausch. Die Zahlen der Todesopfer waren unfassbar, derrussische Staat hatte im Laufe der Jahrhunderte den Tod von Millionen seiner Bürger herbeigeführt.
Leontius, Vorsitzender des Heiligen Synods:
Alexander III., der 1881 den Thron bestiegen hatte und für eine uneingeschränkte Macht des Zaren und einen starken Staat eintrat, sah es als seine Aufgabe an, die revolutionäre Bewegung in Russland zu unterdrücken. Der zum Verfolgungswahn neigende Zar nutzte die Hungersnot, die 1891–92 fast zwanzig Millionen Russen betraf, als Waffe. Auf Befehl des Zaren schickten die Behörden keine Lebensmittel-Hilfslieferungen in jene Gebiete, in denen sich nach Auffassung des Zaren die Revolutionäre eingenistet hatten. Die Hilfsoperationen stockten und kamen schließlich ganz zum Erliegen. Die Zahl der toten Russen stieg auf vierhunderttausend.
Patriarch Tichon:
Die erste Influenza mit weltweiter Ausbreitung (»Russian flu« oder »Russenfieber«) ging 1889 von Russland aus. Sie tötete im Laufe von zwei Jahren etwa zweihundertfünfzigtausend Europäer. Dank des wissenschaftlichen Durchbruchs, den Robert Koch und Louis Pasteur sowie der Vater der Virologie, Dimitri Iwanowski, erreicht hatten, gelang es russischen Wissenschaftlern, das Grippevirus zu isolieren, das zum »Russenfieber« geführt hatte. Der Erreger änderte jedoch seine Form, und es entstand ein neues Virus, das später den Namen »Spanische Grippe« erhielt. 1918 entwich dieses Virus aus den Räumen der Russischen Akademie der Wissenschaften in Sankt Petersburg, breitete sich schnell weltweit aus und führte schließlich zur schlimmsten Pandemie der Weltgeschichte, indem es etwa vierzig Millionen Menschen tötete. In Finnland starben an der »Spanischen Grippe« und ihren Folgekrankheiten schätzungsweise siebenundzwanzigtausend Menschen.
Anfang 1921 drohte Sowjetrussland eine schwere Hungersnot. Lenin, der nicht bereit war einzugestehen, dass sich im Arbeiterparadies
eine Naturkatastrophe ereignen könnte, tat nichts, um das drohende Desaster zu verhindern. Im Ausland wurden Lebensmittel für die politisch wichtigen Städte beschafft, aber die Menschen auf dem Lande ließ man verhungern. In der Not bot schließlich die amerikanische Organisation ARF Unterstützung an und schickte den Behörden Sowjetrusslands Millionen Tonnen Lebensmittel. Der russische Staat verkaufte fast alle Lieferungen, die er entgegennahm, ins Ausland, um wertvolle Valuta einzunehmen, und fünf Millionen Russen verhungerten.
Im Jahre 1922 beschloss Josef Stalin, der zum Generalsekretär der Bolschewiki aufgestiegen war, die Umsetzung seiner Ziele zu beschleunigen und den ersten Führer der Sowjetunion, Wladimir Lenin, zu ermorden, denn der hatte sich gegen eine Wahl Stalins zu seinem Nachfolger gestellt. Stalins Botulindosis tötete Lenin aber nicht, und der künftige Diktator grusinischer Herkunft musste fast zwei Jahre auf eine neue Gelegenheit warten. Als es Stalin schließlich gelungen war, Lenin im Januar 1924 mit Botulin umzubringen und die Ursache für den Tod des Begründers der Sowjetunion zu verheimlichen, hatte er das größte Hindernis auf seinem Weg zum Alleinherrscher Russlands beseitigt.
Sergej, Metropolit von Nischni Nowgorod:
Die Sowjetunion begann 1928 die Arbeit an ihrem ersten offiziellen Biowaffenprogramm. Dessen wichtigstes Ziel war es, Flecktyphus zu einer für die
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