Arto Ratamo 7: Der Finne
schwierig zwar, aber doch vernünftig, und jetzt wollte er sie bestechen wie ein Politiker.
»Na gut. Der freie Vormittag ist natürlich in Ordnung, aber Geld nehme ich nicht. Das ist verboten. Ich bestelle uns ein Taxi.« Eila Lähde erhob sich mühsam und wandte sich dem Tischchen zu, auf dem das Telefon stand.
»Kein Taxi!«, entgegnete Forsman in barschem Ton. »Erst zu Fuß über die Freda zum Kamppi-Center, dann mit der Metro nach Kaisaniemi, und von dort wieder zu Fuß bis zur Ecke Snellmaninkatu und Vironkatu. Ich will …« Sicher sein, dass mir niemand folgt. Den letzten Teil des Satzes behielt Forsman jedoch für sich. Er hätte die Frau dafür nicht unbedingt gebraucht, den Weg von zu Hause biszu seinem Versteck in Kruununhaka kannte er auswendig. Aber in Begleitung eines sehenden Augenpaares würde er die Strecke schneller bewältigen. Jetzt war jede Sekunde kostbar. Wie waren ihm die Russen auf die Spur gekommen?
»Na dann los, sonst wird hier noch der ganze Tag verplempert«, sagte Eila Lähde energisch.
Kurz danach traten sie hinaus auf die Abrahaminkatu. Forsman zog seinen weißen Teleskopstock aus und klopfte damit alle halben Meter auf den Asphalt, während sie die belebte Malminrinne in Richtung Fredrikinkatu hinaufgingen. Seine Sinne erfassten die akustischen Reize an diesem Julimontag. Viele Einwohner Helsinkis befanden sich noch im Sommerurlaub, deshalb war die Flut der Geräusche, die auf ihn einströmten, etwas schwächer als sonst, das galt auch für den Gestank der Abgase. Der letzte Julitag zeigte sich warm und windig. Zuweilen glaubte Forsman dasselbe metallische Geräusch von Schritten zu hören wie an den beiden Vortagen, doch dann ging es wieder im Verkehrslärm unter. Er bekam schlecht Luft, und der Schweiß floss ihm in Strömen übers Gesicht. Angst erfasste seinen ganzen Körper – Angst, er könnte bei seiner Lebensaufgabe versagen.
Am Eingang zum Kamppi-Center von der Fredrikinkatu griff die Schwester nach dem Arm des alten Mannes.
»Rasch in den Aufzug, er ist gleich rechts vorn«, befahl Forsman.
»Was soll denn … diese Eile … als wenn man … um sein Leben rennt«, keuchte Eila Lähde.
Forsman erstarrte. Da waren sie wieder. Die gleichen Schritte, die er in den letzten Tagen manchmal gehört, aber nicht ernst genommen hatte. Die Stahlabsätze eines schwergewichtigen Mannes klirrten, das Geräusch kam näher, der Verfolger erhöhte sein Tempo …
Mit aller Kraft zog Forsman Eila Lähde zum Aufzug. Nun war er sich absolut sicher – sie hatten ihn gefunden. Und ihnen wurde jetzt klar, dass er fliehen wollte, denn er wich das erste Mal seit einer Ewigkeit von seinem Tagesrhythmus ab. Er geriet in Panik, als ihm ein Gedanke durch den Kopf schoss: Was würde mit dem Dokument geschehen, wenn sie ihn erwischten. Plötzlich blieb Eila Lähde stehen.
»Die Tür zum Aufzug ist … hier. Und jetzt darf Herr Forsman erst mal erklären, was zum Teufel eigentlich los ist.«
Hastig tastete Forsman nach dem Aufzugsknopf. Der starke Geruch eines Reinigungsmittels stieg ihm in die Nase. Die Absätze seines Verfolgers waren deutlich zu hören.
»Diesen Aufzug betrete ich erst, wenn Herr Forsman mir sagt, worum es hier …« Beim Sprechen drehte sich Eila Lähde um, schaute in die Richtung, aus der sich die Schritte rasch näherten, und schrie auf, als sie den Mann mit dem Messer in der Hand sah.
Es klingelte, und die Fahrstuhltür öffnete sich. Im selben Augenblick, in dem Forsman hineintrat, schwirrte das Messer durch die Luft und traf Eila Lähde an der Halsschlagader. Ein dumpfer Aufprall war zu hören, als die Frau zusammenbrach. Forsman presste sich dicht an die Aufzugswand, tastete nach den Plastikknöpfen und drückte schließlich den runden Knopf. Sein Herz hämmerte. Die Absätze hatten ihn fast erreicht. Er hielt die Luft an und atmete erst aus, als sich die Tür des Aufzugs schloss. Wütend schlug der Verfolger mit der Faust gegen die Stahltür.
Der Fahrstuhl ruckte an, und Forsman wischte sich warmes, salzig-süßes Blut von der Wange. Gleich würde der Lift auf der Ebene der Bussteige für den Regionalverkehr halten, und dann kam die schwierigste und wichtigste Phase seiner Flucht. Wenn er es schaffte, rechtzeitig den nächstenAufzug zu erreichen, dann wüsste sein Verfolger nicht, ob er in den Bus irgendeiner Regionallinie, in einen Fernverkehrsbus oder in die Metro eingestiegen war, sie alle fuhren auf verschiedenen Ebenen ab. Den Grundriss des Kamppi-Centers
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