Artus-Chroniken 1. Der Winterkönig
großen Tor, wo das Dröhnen des Rammbocks dem Klang einer gigantischen Trommel glich und die ganze Bucht erschütterte.
Die Sonne verlängerte die Schatten der westlichen Landspitze der Bucht weit über den Sand, während hohe, rosige Wolken Streifen über den Himmel malten. Möwen flogen zu ihren Nestern zurück. Unsere beiden Verwundeten waren
vorausgegangen, um unser Boot von den Steinen zu befreien
- ich hoffte, daß die Franken noch nicht so weit um die Insel herumgekommen waren, um das Boot zu entdecken -, aber ich glaubte nicht, daß wir es noch benötigten. Der Abend brach herein, und das Wasser stieg. Die Flut würde die Angreifer schon bald zunächst auf den Damm und dann in ihre Lager zurücktreiben, und wir konnten einen wundervollen Sieg feiern.
Dann aber hörten wir das Schlachtgeschrei jubelnder Männer jenseits des Stadttores; und als wir sahen, wie die von uns besiegten Franken von unserem Teil der Mauer wegliefen, um sich dem fernen Angriff anzuschließen, wußten wir, daß die Stadt verloren war. Als wir später mit den Überlebenden sprachen, hörten wir, daß es den Franken gelungen war, die Steinpier des Hafens zu erklimmen und so relativ mühelos in die Stadt einzudringen.
Kurz darauf begann das Schreien.
Mit zwanzig Mann stiegen Galahad und ich über unsere nächstgelegene Barrikade. Frauen kamen uns
entgegengerannt, doch als sie uns sahen, gerieten sie in Panik und versuchten den Granitfelsen zu erklimmen. Culhwch blieb zurück, um unsere Mauer zu verteidigen und unseren Rückzug zum Boot zu schützen, während sich die ersten Rauchwolken der eroberten Stadt in den Abendhimmel kräuselten.
Wir rannten an den Verteidigern des Haupttors vorbei, liefen eine lange Steintreppe hinab und mußten mit ansehen, daß
die Feinde in die Stadt eindrangen wie Ratten in einen Getreidespeicher. Überall rückten ihre Stierhornstandarten von der Pier aus vor, und ihre Trommeln dröhnten, während die Frauen, die in den Häusern der Stadt in der Falle saßen, vor Angst schrien. Draußen, zur Linken, auf der anderen Seite des Hafens, wo nur wenige Angreifer Fuß gefaßt hatten, tauchte plötzlich eine Gruppe weißgekleideter Speerkämpfer auf. Es war Bors, Lancelots Cousin und Befehlshaber der
Palastgarde. Er schien einen Gegenangriff starten zu wollen, und ich dachte schon, er werde eine Wende herbeiführen und den Angreifern den Weg abschneiden; statt aber an der Pier anzugreifen, führte Bors seine Männer zu der Meerestreppe, wo eine Flotte kleiner Boote wartete, die sie alle in Sicherheit bringen sollte. Ich sah, wie Prinz Lancelot, seine Mutter an der Hand und hinter sich eine Schar in Panik geratener Höflinge, inmitten seiner Leibwachen hinabeilte. Die fili verließen die untergehende Stadt.
Galahad machte zwei Feinde nieder, welche die Treppe erklimmen wollten. Dann sah ich, daß die Straße hinter uns voll Franken mit dunklen Umhängen war. »Zurück!« rief ich und zerrte Galahad aus der Gasse.
»Ich will kämpfen!« Er wollte sich von mir losreißen und wandte sich den nächsten zwei Männern entgegen, die die schmale Treppe emporgestürmt kamen.
»Leb weiter, du Tor!« Ich stieß ihn hinter mich, fintete mit dem Speer nach links, um die Waffe anschließend sofort zu heben und sie dem Franken ins Gesicht zu stoßen. Ich ließ den Schaft los, parierte den Speerstoß des zweiten Mannes mit meinem Schild und zog gleichzeitig Hywelbane, um einen tiefen Stoß unter dem Schildrand anzubringen, so daß der Mann schreiend auf die Stufen sank, während das Blut unter seinen Händen hervorquoll, mit denen er sich den Unterleib hielt. »Du weißt, wie du uns sicher durch die Stadt bringst!«
rief ich Galahad zu. Als ich ihn von den vom Schlachtenwahn ergriffenen Feinden zurückriß, die die Treppe heraufstürmten, hatte ich meinen Speer steckenlassen müssen. Am Ende der Treppe lag ein Töpferladen, dessen Waren trotz der Belagerung noch immer auf Schragentischen unter einer Markise ausgestellt waren. Ich kippte einen Tisch voller Krüge und Vasen in den Weg der Angreifer, dann riß ich die Markise herunter und schleuderte sie ihnen ins Gesicht. »Lauf uns voraus!« schrie ich. In Ynys Trebes gab es Gassen und Gärten, die nur die Einwohner kannten, und wenn wir dem Feind entkommen wollten, waren wir auf diese geheimen Pfade angewiesen.
Die Invasoren waren inzwischen durch das Haupttor vorgedrungen, um uns von Culhwch und seinen Männern abzuschneiden. Galahad führte uns weiter bergauf, wandte
Weitere Kostenlose Bücher