Artus-Chroniken 1. Der Winterkönig
zwei trockene Brotlaibe, die wir im Triumph nach Hause trugen. Als die Flut stieg, holten wir das Boot in die Stadt und machten es unter unserer Mauer fest. Lancelot beobachtete unseren Ungehorsam zwar, tadelte uns aber nicht. Königin Elaine ließ jedoch anfragen, was für Vorräte wir auf dem Schiff gefunden hätten. Wir schickten ein paar getrocknete Fische hinauf, aber die Gabe wurde zweifellos als Beleidigung empfunden. Lancelot beschuldigte uns, das Boot nur gekapert zu haben, um Ynys Trebes verlassen zu können, und befahl uns, den Kahn in den kleinen Hafen der Insel zu bringen. Als Antwort darauf stieg ich den Berg bis zum Palast hinauf und verlangte, er möge den Vorwurf der Feigheit mit seinem Schwert untermauern. Über den ganzen Palasthof schrie ich meine Herausforderung, aber der Prinz und seine Poeten wagten sich nicht hinter den verschlossenen Türen hervor. Ich spie auf die Schwelle und machte mich wieder davon. Je verzweifelter die Lage wurde, desto glücklicher wurde Galahad. Zum Teil entsprang sein Glück der Gegenwart von Leanor, der Harfenistin, die mich vor zwei Jahren willkommen geheißen hatte, dem Mädchen, das zu begehren Galahad mir gestanden hatte, dem Mädchen, das von Lancelot vergewaltigt worden war. Sie hauste mit Galahad in einer Ecke des Speichergewölbes. Wir alle hatten Frauen. Irgend etwas an unserer hoffnungslosen Lage ließ uns jedes normale Verhalten vergessen, so daß wir möglichst viel Leben in die wenigen Stunden bis zu unserem zu erwartenden Tod zu zwängen versuchten. Die Frauen standen mit uns Wache und schleuderten Steine, sobald die Franken unsere
zerbrechlichen Fischreusen zu zerstören versuchten. Speere hatten wir schon lange nicht mehr, nur jene, die wir selbst nach Benoic mitgebracht hatten und die wir für den Hauptangriff aufsparten. Unsere Handvoll Bogenschützen hatten keine Pfeile mehr außer jenen, die die Franken in die Stadt schossen, und dieser Vorrat wuchs allmählich, als der Damm der feindlichen Franken nur noch einen kurzen Bogenschuß vom Stadttor entfernt war. Am Ende ihrer Dammstraße errichteten die Franken ein Holzgerüst, hinter dem die Bogenschützen Aufstellung nahmen, um die Verteidiger des Tors mit Pfeilen einzudecken. Die Franken machten keinen Versuch, den Damm ganz bis zur Stadt zu bauen, denn diese neue Straße sollte nur dazu dienen, sie trockenen Fußes bis dorthin zu führen, wo sie mit dem Angriff beginnen konnten. Uns war klar, daß dieser Angriff bald erfolgen würde.
Es war Frühsommer, als der Damm fertig war. Der Mond war voll und brachte eine riesige Flut mit sich. Für den größten Teil der Zeit lag der Damm unter Wasser, aber bei Ebbe erstreckte sich die Sandfläche in weitem Kreis um Ynys Trebes, und die Franken, die von Tag zu Tag besser lernten, mit dem Watt umzugehen, umzingelten uns immer wirksamer. Das Dröhnen ihrer Trommeln wurde für uns zur unaufhörlichen
Begleitmusik, und ihre Drohungen klangen uns ständig in den Ohren. Einmal fand ein großes Fest statt, das für ihre Stämme von großer Bedeutung war; an jenem Tag entzündeten sie, statt uns anzugreifen, am Strand riesige Feuer und trieben eine lange Reihe von Sklaven zum Endpunkt ihrer
Dammstraße, wo sie die Gefangenen einen nach dem anderen enthaupteten. Die Sklaven waren Briten, und einige von ihnen hatten Verwandte in der Stadt, die von den Mauern aus zusahen. Das barbarische Abschlachten brachte einige der Verteidiger von Ynys Trebes dazu, in einem eitlen Versuch, die zum Tode verurteilten Frauen und Kinder zu retten, zum Tor hinauszustürzen. Auf diesen Ausfall hatten die Franken gewartet. Sie bildeten einen Schildwall auf dem Sand. Aber die vor Zorn und Hunger halb wahnsinnigen Männer von Ynys Trebes ließen sich nicht zurückhalten. Auch Bleiddig gehörte zu den Angreifern. Er starb, niedergemacht von einem fränkischen Speer. Wir Dumnonier sahen zu, wie eine Handvoll Überlebender in die Stadt zurückzufliehen versuchte. Wir hätten nichts tun können - außer unsere Leichen den anderen hinzuzufügen. Bleiddigs Leichnam wurde
geschunden, ausgeweidet und dann am Ende des Dammes gepfählt, so daß wir gezwungen waren, ihn bis zur nächsten Flut anzusehen. Irgendwie jedoch blieb der Leichnam, obwohl er überspült wurde, auf seinem Pfahl, so daß im nächsten Morgengrauen die Möwen seinen salzgewaschenen Körper zerrissen.
»Wir hätten mit Bleiddig angreifen sollen«, sagte Galahad bitter zu mir.
»Nein.«
»Lieber wie ein Mann vor einem
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