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Artus-Chroniken 1. Der Winterkönig

Artus-Chroniken 1. Der Winterkönig

Titel: Artus-Chroniken 1. Der Winterkönig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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sich nach links in einen kurzen Tunnel, der unter einem Tempel hindurchführte, und dann durch einen Garten und über eine Mauer, die zu einer Regenzisterne gehörte. Unter uns wand sich die Stadt im Griff des Schreckens. Um sich für ihre Toten zu rächen, die auf dem Sand gestorben waren, brachen die siegreichen Franken überall Türen auf. Kinder schrien und wurden mit dem Schwert zum Schweigen gebracht. Ich beobachtete einen fränkischen Krieger, einen Riesen mit Hörnern auf dem Helm, der mit seiner Axt vier in die Enge getriebene Verteidiger niedermachte. Immer mehr Rauch stieg aus den Häusern auf. Die Stadt war zwar aus Stein erbaut, aber es gab genügend Möbel, Bootspech und Holzdächer, um ein infernalisches Feuer zu nähren. Draußen auf dem Meer, wo die steigende Flut über die Sandbänke wirbelte, sah ich Lancelots Flügelhelm in einem der drei Fluchtschiffe glänzen, während der elegante Palast über mir im rosigen Licht der untergehenden Sonne seinen letzten Augenblicken
    entgegensah. Die Abendbrise zupfte an dem grauen Rauch und blähte graziös den weißen Vorhang eines schattigen Palastfensters.
    »Hierher!« schrie Galahad und wies auf einen schmalen Pfad.
    »Mir nach, zu unserem Boot!« Unsere Männer liefen um ihr Leben. »Komm, Derfel!« rief er mir zu.
    Aber ich rührte mich nicht. Ich starrte wie gebannt den steilen Felshügel empor.
    »Nun komm schon, Derfel!« drängte Galahad.
    Aber ich hörte eine Stimme im Kopf. Es war die Stimme eines alten Mannes, eine trockene, ironische, eher unfreundliche Stimme, und ihr Klang hinderte mich an der Flucht.
    »Nun komm schon, Derfel!« schrie Galahad.
    »Ich gebe mein Leben in Eure Hände«, hatte der Alte einmal gesagt, und plötzlich hörte ich ihn im Geiste zu mir sprechen.
    »Ich vertraue mein Leben Eurem Gewissen an, Derfel aus Dumnonia.«
    »Wie komme ich zum Palast?« rief ich Galahad zu.
    »Palast?«
    »Wie?« schrie ich zornig.
    »Hier entlang!« sagte er. »Hier entlang.«
    Und wir kletterten.

    Die Barden singen von Liebe, sie feiern das Töten, sie preisen Könige und schmeicheln Königinnen, wäre ich jedoch ein Dichter, ich würde das Hohelied der Freundschaft anstimmen. Was Freunde betrifft, so war ich vom Glück begünstigt. Arthur war einer davon, aber unter all meinen Freunden gab es nicht einen, der Galahad gleichkam. Es gab Zeiten, da verstanden wir einander ohne Worte, und andere, da kamen die Worte stundenlang nur so aus uns herausgeströmt. Wir teilten alles, bis auf die Frauen. Ich kann nicht mehr zählen, wie oft wir Schulter an Schulter im Schildwall gestanden haben, ich kann nicht mehr zählen, wie oft wir uns den letzten Bissen Brot geteilt haben. Viele Männer hielten uns für Brüder, und so fühlten wir uns auch.
    An jenem Abend, als die Stadt unter uns in Schutt und Asche gelegt wurde, begriff Galahad, daß ich nicht zu dem wartenden Boot mitkommen konnte. Er wußte, daß ich mich im Griff irgendeines Zwanges befand, einer Botschaft der Götter, die mich trieb, verzweifelt zu dem stillen Palast emporzuklettern, der Ynys Trebes krönte. Rings um uns kam der Schrecken bergaufwärts gestiegen, wir aber blieben ihm voraus, rannten verzweifelt über ein Kirchendach, sprangen in eine Gasse hinab, wo wir uns durch eine dichte Menge von Flüchtlingen drängten, die glaubten, in der Kirche Freistatt finden zu können, dann eine Flucht Steinstufen empor und auf die Hauptstraße hinaus, die Ynys Trebes wie eine Spirale umwand. Franken kamen auf uns zugelaufen, wollten die ersten sein, die in Bans Palast eindrangen, aber wir kamen ihnen mit einer kläglichen Handvoll Menschen zuvor, die dem Schlachten in der unteren Stadt entronnen waren und nun, auch der letzten Hoffnung beraubt, Zuflucht im Palast suchen wollten.
    Die Wachen waren aus dem Palasthof verschwunden. Die Tore standen offen, und drinnen, wo Frauen kauerten und Kinder weinten, wartete die kostbare Einrichtung auf die Eroberer. Die Vorhänge wehten im Wind.
    Ich eilte durch die eleganten Gemächer, durch den Spiegelsaal, an Leanors verlassener Harfe vorbei und in den großen Raum, wo Ban mich beim erstenmal empfangen hatte. Der König befand sich noch immer dort, trug noch immer seine Toga, saß noch immer, den Gänsekiel in der Hand, an seinem Tisch. »Es ist zu spät«, sagte er, als ich mit gezogenem Schwert hereinstürzte. »Arthur hat mich im Stich gelassen.«
    In den Korridoren des Palastes ertönten Schreie. Der Blick aus dem Bogenfenster wurde von dichtem Rauch

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