Artus-Chroniken 1. Der Winterkönig
sich gegen ihn ausspricht.«
In mir flammte Zorn darüber auf, daß man mit meiner Religion so leichtfertig umsprang. »Mithras, Lady«, antwortete ich eisig,
»ist ein Kult für die Tapferen.«
»Sogar Ihr, Derfel Cadarn, braucht nicht unbedingt noch mehr Feinde«, erwiderte Guinevere nicht weniger kalt, damit ich wußte, daß sie zu meinen Feinden zählen würde, falls ich Lancelots Wunsch vereiteln sollte. Und dies, dachte ich, würde Guinevere auch jedem anderen Mann androhen, der es wagte, sich Lancelots Einweihung in die Mysterien des Mithras entgegenzustellen.
»Bis zum Winter wird ohnehin nichts geschehen«, erklärte ich, einer festen Zusage ausweichend.
»Aber sorgt dafür, daß es dann geschieht«, verlangte sie. Damit stieß sie die Hallentür auf. »Ich danke Euch, Lord Derfel.«
»Ich danke Euch, Lady«, erwiderte ich, und als ich die Stufen zur Halle hinablief, spürte ich eine neue Woge von Zorn in mir aufsteigen. Zehn Tage! dachte ich. Zehn Tage nur, und schon hat Lancelot Guinevere zu seiner Verbündeten gemacht. Fluchend schwor ich, lieber ein elender Christ zu werden, als zuzulassen, daß Lancelot in der Höhle unter dem
bluttriefenden Stierkopf tafelte. Ich hatte drei sächsische Schildwälle durchbrochen und Hywelbane bis ans Heft in die Feinde meines Landes gestoßen, bevor ich zum Mithrasdienst erwählt wurde, während Lancelot nichts weiter getan hatte, als zu prahlen und zu posieren.
Als ich die Halle betrat, saß Bedwin dort neben Arthur. Die beiden hörten Bittsteller an, doch Bedwin verließ die Estrade, um mich an einen ruhigen Platz neben der Außentür der Halle zu ziehen. »Wie ich hörte, seid Ihr jetzt ein Lord«, sagte er.
»Ich gratuliere.«
»Ein Lord ohne Land«, entgegnete ich verbittert und noch immer wütend über Guineveres unverschämte Forderung.
»Land folgt auf Sieg«, erklärte mir Bedwin, »und Sieg folgt auf Schlacht, und Schlachten, Lord Derfel, werdet Ihr in diesem Jahr mehr als genug erleben.« Er hielt inne, weil die Hallentür aufgestoßen wurde und Lancelot mit seinem Gefolge hereinstolzierte. Bedwin verneigte sich vor ihm, während ich nur kurz nickte. Der König von Benoic schien überrascht zu sein, als er mich sah, ging aber schweigend zu Arthur hinüber, der einen dritten Sessel auf die Estrade stellen ließ. »Gehört Lancelot jetzt etwa auch zum Kronrat?« fragte ich Bedwin ärgerlich.
»Er ist ein König«, gab Bedwin geduldig zurück. »Ihr könnt nicht erwarten, daß er steht, während wir sitzen.«
Ich bemerkte, daß der König von Benoic noch immer den Verband an der Rechten trug. »Wie ich annehme, bedeutet die Verletzung des Königs, daß er nicht mit uns kommen wird«, sagte ich bissig. Fast hätte ich Bedwin sofort erzählt, daß
Guinevere gefordert hatte, Lancelot zum Mithrasjünger zu machen, fand aber dann, daß diese Nachricht noch warten könne.
»Er wird nicht mit uns kommen«, bestätigte Bedwin. »Er soll als Befehlshaber von Durnovarias Garnison hierbleiben.«
»Als was?« fragte ich so laut und so zornig, daß Arthur sich in seinem Sessel umwandte, um zu sehen, was dieser Lärm zu bedeuten hatte.
»Wenn König Lancelots Männer Guinevere und Mordred beschützen«, erklärte Bedwin müde, »können Lanvals und Llywarchs Männer mit uns gegen Gorfyddyd kämpfen.« Er zögerte. Dann legte er mir eine zerbrechliche Hand auf den Arm. »Da ist noch etwas, was ich Euch mitteilen muß, Lord Derfel.« Seine Stimme war leise und sehr sanft. »Merlin war letzte Woche in Ynys Wydryn.«
»Mit Nimue?« fragte ich erfreut.
Er schüttelte den Kopf. »Er hat sie nicht geholt, Derfel. Er ist vielmehr nach Norden gegangen, aber warum oder wohin, das wissen wir nicht.«
Die Narbe in meiner linken Hand pochte. »Und Nimue?« fragte ich, die Antwort fürchtend.
»Ist noch auf der Insel. Falls sie noch lebt.« Er hielt inne. »Es tut mir leid.«
Ich starrte in die Halle voller Menschen. Hatte Merlin nichts von Nimues Schicksal gewußt? Oder hatte er es vorgezogen, sie bei den Toten zu lassen? Sosehr ich ihn auch liebte, bisweilen fand ich, daß Merlin der grausamste Mensch der Welt sein konnte. Wenn er auf Ynys Wydryn gewesen war, mußte er gewußt haben, wo Nimue gefangengehalten wurde, aber er hatte dennoch nichts unternommen. Er hatte sie bei den Toten gelassen. Auf einmal schrillten meine Ängste in mir wie die Schreie der sterbenden Kinder von Ynys Trebes. Ein paar eiskalte Sekunden lang vermochte ich weder zu sprechen noch mich zu
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