Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Artus-Chroniken 1. Der Winterkönig

Artus-Chroniken 1. Der Winterkönig

Titel: Artus-Chroniken 1. Der Winterkönig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
Vom Netzwerk:
meiner Linken lag jetzt das Meer, zu meiner Rechten ein brackiges, dunkles Moor, wo keine Vögel sangen. Hinter dem Moor sah ich eine breite Kiesbank, die im Bogen von der Küste wegführte und zu jenem Damm wurde, der die Insel mit dem Festland verband. Um die Insel über die Kiesbank zu erreichen, mußte man einen Umweg von vielen Meilen machen, daher benutzten Reisende zumeist die
    schädelgesäumte Straße, die zu einem verfallenen Kai führte, von dem aus eine Fähre zum Strand übersetzte. Eine Gruppe von Wachhäusern aus Lehm und Weidengeflecht stand dicht am Kai. Weitere Wachtposten patrouillierten auf der Kiesbank. Die Wachtposten am Kai waren alte Männer oder
    Kriegsversehrte, die mit ihren Familien in den Hütten wohnten. Als die Männer mich kommen sahen, versperrten sie mir mit ihren rostigen Speeren den Weg.
    »Mein Name ist Lord Derfel«, sagte ich, »und ich verlange, daß man mir den Weg freigibt.«
    Der Wachkommandant, ein schäbiger Mann in uraltem, eisernem Brustharnisch und verschimmeltem Lederhelm, verneigte sich vor mir. »Ich bin nicht ermächtigt, Euch aufzuhalten, Lord Derfel«, erklärte er mir, »aber ich darf Euch nicht zurückkehren lassen.« Seine Männer, die es verblüffte, daß jemand freiwillig auf die Insel wollte, starrten mich offenen Mundes an.
    »Dann werde ich weitergehen«, sagte ich, und die Speerkämpfer machten mir Platz, während der
    Wachkommandant ihnen zurief, das kleine Fährboot bereitzumachen. »Kommen viele hier vorbei?« erkundigte ich mich bei ihm.
    »Einige«, antwortete er. »Manche sind lebensmüde, andere glauben, eine Insel voller Wahnsinniger regieren zu können. Nur wenige haben lange genug überlebt, um mich bitten zu können, sie wieder rauszulassen.«
    »Und habt Ihr sie rausgelassen?« wollte ich wissen.
    »Nein«, antwortete er knapp. Er beobachtete, wie aus einer Hütte Riemen geholt wurden. Dann musterte er mich stirnrunzelnd. »Seid Ihr sicher, Lord?« fragte er mich.
    »Ich bin sicher.«
    Er war neugierig, wagte mich aber nicht zu fragen, was ich hier wollte. Statt dessen half er mir die glitschigen Stufen am Kai hinab und in das mit Pech verstrichene Boot. »Die Ruderer werden Euch das erste Tor öffnen«, erklärte er mir und wies auf einen Punkt weiter hinten am Damm jenseits des schmalen Kanals. »Danach werdet Ihr zu einer zweiten Mauer kommen und dann, am Ende des Dammes, zu einer dritten. Diese Mauern haben keine Tore, es führen nur Treppen hinüber. Zwischen den Mauern werdet Ihr vermutlich keinen toten Seelen begegnen. Aber danach? Das können nur die Götter wissen. Wollt Ihr wirklich hinübergehen?«
    »Wart Ihr selbst nie neugierig?« fragte ich ihn.
    »Wir dürfen Lebensmittel und tote Seelen bis zur dritten Mauer bringen, und weiter wollte ich nie gehen«, antwortete er grimmig. »Ich will die Schwerterbrücke zur Anderwelt erst dann betreten, wenn meine Zeit gekommen ist, Lord.« Damit reckte er das Kinn zur Landzunge hinüber. »Hinter der Insel liegt Cruachans Höhle, Lord, und nur Toren oder Verzweifelte suchen den Tod vor ihrer Zeit.«
    »Ich habe meine Gründe«, gab ich zurück, »und wir werden uns in der Welt der Lebenden wiedersehen.«
    »Nicht, wenn Ihr das Wasser überquert, Lord.«
    Ich starrte auf die grünen und weißen Hänge der Insel, die über den Mauern der Landzunge emporragten. »Ich war einst in einer Todesgrube und bin wieder herausgekrochen«, entgegnete ich dem Wachkommandanten. »Und ich werde auch hier wieder herauskriechen.« Ich suchte in meinem Geldbeutel und fand eine Münze, die ich ihm in die Hand drückte. »Über meine Rückkehr werden wir sprechen, wenn es soweit ist.«
    »In dem Moment, da Ihr diesen Kanal überquert, Lord«, warnte er mich ein letztes Mal, »seid Ihr ein toter Mann.«
    »Der Tod kann mich nicht holen, weil er nicht weiß, wie er das anstellen soll«, behauptete ich mit törichter Prahlerei und befahl den Ruderern, mich über den wirbelnden Kanal zu bringen. Schon ein paar Ruderschläge genügten, dann landete das Boot auf einem Schlammstreifen. Wir kletterten zum Tor in der ersten Mauer empor, wo die beiden Ruderer den Querbalken hoben, die Torflügel aufzogen und zurücktraten, um mich hindurchzulassen. Eine schwarze Schwelle markierte die Grenze zwischen dieser und der nächsten Welt. Sobald ich diesen geschwärzten Holzbalken überquert hatte, würde ich als toter Mann gelten. Sekundenlang ließen mich meine Ängste zögern; dann trat ich hinüber.
    Hinter mir krachten die

Weitere Kostenlose Bücher