Artus-Chroniken 1. Der Winterkönig
Spalten des moosbewachsenen Felsblocks gesteckt. Guinevere raffte den goldenen Saum ihres apfelgrünen Gewandes und stieg über das Rinnsal. »Es gibt eine Mordred-Partei im Reich«, berichtete sie mir und bestätigte damit, was Bischof Bedwin mir am Abend meiner Heimkehr mitgeteilt hatte. »Die meisten Mitglieder sind Christen, und alle beten, daß Arthur unterliegt. Würde er besiegt, müßten sie natürlich vor Gorfyddyd im Staub kriechen, aber das Kriechen ist für die Christen, wie ich bemerkt habe, etwas ganz Natürliches. Wenn ich ein Mann wäre, Derfel Cadarn, würden drei Köpfe unter meinem Schwert fallen: Sansums, Naburs und Mordreds.«
Ich zweifelte keine Sekunde an ihren Worten. »Wenn Nabur und Sansum die besten Männer sind, die die Mordred-Partei aufbieten kann, Lady«, wandte ich ein, »braucht Arthur sich keine Sorgen zu machen.«
»König Melwas ebenfalls, glaube ich«, sagte Guinevere, »und wer weiß, wer noch alles dazugehört! Fast jeder
Wanderprediger im Reich verbreitet diese Pestilenz und fragt ständig, warum die Männer für Arthur sterben sollen. Ich würde allen den Kopf abschlagen, doch Verräter geben sich nicht zu erkennen, Lord Derfel. Sie lauern im Dunkeln und schlagen zu, wenn man nicht aufpaßt. Und wenn Arthur Gorfyddyd besiegt, werden sie alle sein Loblied singen und so tun, als wären sie die ganze Zeit schon auf seiner Seite gewesen.« Sie spie aus, um das Böse abzuwenden, und warf mir einen scharfen Blick zu. »Erzählt mir von König Lancelot«, begehrte sie unvermittelt.
Ich hatte den Eindruck, daß wir endlich zum eigentlichen Grund für unseren Spaziergang unter den Apfel-und Birnbäumen gekommen waren. »Eigentlich kenne ich ihn nicht besonders gut«, antwortete ich ausweichend.
»Er hat gestern abend sehr nett von Euch gesprochen«, sagte sie.
»Hat er das?« erwiderte ich skeptisch. Wie ich wußte, wohnten Lancelot und seine Gefährten noch immer in Arthurs Haus. Ich hatte befürchtet, ihm dort zu begegnen, und war erleichtert gewesen, daß er nicht am Mittagsmahl teilgenommen hatte.
»Ihr seid ein großartiger Soldat, hat er gesagt«, fuhr Guinevere fort.
»Wie gut«, entgegnete ich verdrossen, »daß er zuweilen auch die Wahrheit sagen kann.« Ich vermutete, daß Lancelot seine Fahne nach einem neuen Wind zu richten begann und versucht hatte, Arthurs Gunst zu gewinnen, indem er einen Mann lobte, von dem er wußte, daß er Arthurs Freund war.
»Könnte es sein«, fragte Guinevere, »daß Krieger, die eine so schreckliche Niederlage erlitten haben wie Ihr in Ynys Trebes, danach jedesmal in Streit geraten?«
»Erlitten?« fragte ich rauh. »Ich habe gesehen, wie er Benoic verließ, Lady, aber ich kann mich nicht daran erinnern, daß er gelitten hatte. Genausowenig kann ich mich daran erinnern, daß seine rechte Hand bei seiner Flucht verbunden war.«
»Er ist kein Feigling«, behauptete sie hitzig. »Er trägt sehr viele Kriegerringe an der linken Hand, Lord Derfel.«
»Kriegerringe!« sagte ich verächtlich. Ich schob die Hand in meine Gürteltasche und holte eine ganze Faustvoll dieser Schmuckstücke heraus. Inzwischen besaß ich davon so viele, daß ich mir nicht mehr die Mühe machte, neue anzufertigen. Ich warf die Ringe ins Gras des Obstgartens und erschreckte damit die Jagdhunde, die ihre Herrin unsicher ansahen.
»Kriegerringe findet man überall, Lady.«
Guinevere starrte auf die verstreuten Ringe und trat einen davon beiseite. »Ich mag König Lancelot«, erklärte sie trotzig, mich vor weiteren abwertenden Bemerkungen warnend. »Und wir müssen uns um ihn kümmern. Arthur hat das Gefühl, daß
wir Benoic im Stich gelassen haben, darum müßten wir wenigstens seine Überlebenden ehrenvoll behandeln. Ich möchte, daß Ihr freundlich zu Lancelot seid - mir zuliebe.«
»Ja, Lady«, sagte ich gehorsam.
»Wir müssen eine reiche Gemahlin für ihn finden«, fuhr Guinevere fort. »Er braucht Land und Männer, die er befehligen kann. Ich finde, Dumnonia sollte sich glücklich schätzen, daß er zu uns gekommen ist. Wir brauchen gute Soldaten.«
»Die brauchen wir in der Tat, Lady«, stimmte ich ihr zu. Sie vernahm den Sarkasmus in meiner Stimme und verzog das Gesicht, verfolgte aber trotz meiner Feindseligkeit das Thema, das der eigentliche Grund dafür war, daß wir uns in diesem schattigen, privaten Obstgarten befanden. »König Lancelot«, sagte sie, »möchte zu den Dienern des Mithras gehören, und Arthur und ich möchten nicht, daß jemand
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