Artus-Chroniken 1. Der Winterkönig
überlassen. Und diese Toren da drüben, der Mäuselord und seine Anhänger, werden uns diese Chance verderben, wenn wir sie nicht bekämpfen. Aber es gibt so viele von ihnen, und wir sind nur so wenige!« Vor Verzweiflung weinend, sah sie mir ins Gesicht.
Ich wußte nicht, was ich sagen sollte. Obwohl ich Merlins Findelkind und Kind des Gottes Bel war, verstand ich mich nicht auf die Geisterwelt. »Bel wird uns helfen, nicht wahr?«
fragte ich hilflos. »Er liebt uns doch - oder?«
»Uns lieben?« Sie entriß mir ihre Hand. »Uns lieben?«
wiederholte sie höhnisch. »Es ist nicht Aufgabe der Götter, uns zu lieben. Liebst du Druidans Schweine? Wieso also sollte uns ein Gott, in Bels Namen, lieben? Liebe! Was weißt du denn schon von Liebe, Derfel, du Sohn einer Sächsin?«
»Ich weiß, daß ich dich liebe.« Heute kann ich ungehindert erröten, wenn ich an das verzweifelte Ringen eines Knaben um die Zuneigung einer Frau zurückdenke. Es hatte mich jeden Funken Mut gekostet, diese Aussage zu machen, jede Spur Courage, die ich, wie ich hoffte, besaß, und nachdem ich die Worte hervorgestoßen hatte, errötete ich im
regengestreiften Feuerschein und wünschte, ich hätte den Mund gehalten.
Nimue sah mich lächelnd an. »Ich weiß«, antwortete sie, »ich weiß. Aber jetzt komm. Auf uns wartet ein Festmahl.«
In diesen Tagen, meinen letzten Tagen, die ich schreibend im Kloster in Powys' Bergen verbringe, schließe ich zuweilen die Augen und sehe Nimue vor mir. Nicht so, wie sie wurde, sondern so, wie sie damals war: voller Begeisterung, wach, selbstsicher. Ich weiß, ich habe Christus gewonnen und durch seinen Segen die ganze Welt; aber das, was ich verloren habe, das, was wir alle verloren haben, ist mit nichts aufzuwiegen. Wir haben alles verloren.
Das Festmahl war köstlich.
Der Hohe Rat begann am Vormittag, nachdem die Christen einen weiteren Gottesdienst abgehalten hatten. Sie hielten ziemlich viele davon ab, fand ich, denn zu jeder Stunde des Tages schien ein erneuter Kniefall vor dem Kreuz erforderlich zu sein, doch diese Verzögerung gab den Fürsten und Kriegern Zeit, sich von ihrem nächtlichen Gelage, dem Prahlen und Kämpfen zu erholen. Der Hohe Rat tagte in der großen Halle, die wieder von Fackeln erleuchtet wurde, denn obwohl die Frühlingssonne draußen hell strahlte, waren die wenigen Fenster der Halle hoch und schmal und weniger geeignet, das Licht herein-als den Rauch abziehen zu lassen, obwohl sie auch diese Aufgabe nur unzulänglich erfüllten.
Uther, der Großkönig, saß auf einem Podium über der Plattform, die den Königen, Prinzen und Fürsten vorbehalten war. Tewdric von Gwent, Gastgeber der Ratsversammlung, saß unterhalb von Uther, und zu beiden Seiten von Tewdrics Thron standen ein Dutzend weitere Thronsessel, in denen an diesem Tag die Vasallenkönige oder Fürsten Platz nahmen, die Uther oder Tewdric Tribut zahlten. Fürst Cadwy von Isca war anwesend, der Belgerkönig Melwas, Fürst Gereint, Herr der Steine, während das ferne Kernow, das wilde Königreich an Britanniens westlicher Spitze, seinen Edling Tristan abgesandt hatte, der, in Wolfspelze gehüllt, am Rand der Plattform neben einem der beiden leeren Throne saß. In Wahrheit waren die Throne nichts weiter als Sessel, die aus der Speisehalle geholt und mit Schabracken bedeckt worden waren; vor jedem dieser Sessel lehnte der Schild des jeweiligen Königreichs an der Plattform. Es hatte eine Zeit gegeben, da bis zu dreiunddreißig Schilde an der Plattform lehnten, heute jedoch lagen die Stämme Britanniens miteinander im Streit, und einige Königreiche waren in Lloegyr durch sächsische Schwerter unter die Erde gebracht worden. Zweck dieses Hohen Rates war es unter anderem, Frieden zwischen den restlichen britischen Königreichen zu stiften. Allerdings schien dieser Frieden schon jetzt gefährdet, denn Powys und Siluria waren nicht zum Rat gekommen. Ihre beiden Throne standen leer, stumme Zeugen für die andauernde Feindschaft zwischen diesen beiden Königreichen und Gwent und Dumnonia.
Vor den Königen und Prinzen jenseits eines Platzes, der für die jeweiligen Sprecher freigehalten worden war, saßen die Räte und wichtigsten Ratgeber der Königreiche. Manche Räte, wie jene von Gwent und Dumnonia, waren sehr zahlreich, während andere nur aus einer Handvoll Männer bestanden. Die Räte und Ratgeber saßen auf dem Boden, der, wie ich jetzt sah, mit Tausenden von winzigen, farbigen Steinchen geschmückt war, die zu
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