Artus-Chroniken 1. Der Winterkönig
einem riesigen Bild arrangiert waren, das zwischen den Sitzenden aufschimmerte. Die Ratgeber hatten sich Decken geholt, um sich daraus Kissen zu falten, denn sie wußten, daß die Erörterungen des Hohen Rates bis weit nach Einbruch der Dunkelheit dauern konnten. Hinter den Ratgebern, und nur als Beobachter zugelassen, standen die bewaffneten Krieger, einige sogar mit ihren
Lieblingsjagdhunden an der Leine. Ich stand bei den bewaffneten Kriegern, denn mein bronzener Torques mit dem Cernunnoskopf genügte als Berechtigung für meine Anwesenheit.
Zwei Frauen nahmen am Hohen Rat teil, nur zwei, und selbst ihre Anwesenheit löste protestierendes Gemurmel unter den wartenden Männern aus, bis ein kurzer Blick von Uther dem leisen Grollen ein Ende machte.
Morgan saß unmittelbar vor Uther. Da die Ratgeber von ihr abgerückt waren, saß sie allein, bis Nimue unerschrocken durch die Hallentür hereinkam und sich einen Weg durch die sitzenden Männer bahnte, um sich direkt neben ihr niederzulassen. Nimue war mit einer so kühlen
Selbstsicherheit eingetreten, daß niemand den Versuch machte, sie aufzuhalten. Sobald sie saß, starrte sie zu Großkönig Uther empor, als forderte sie ihn heraus, sie hinauszuweisen, aber der König nahm keine Notiz von ihrer Anwesenheit. Auch Morgan beachtete ihre junge Rivalin nicht, die still und hoch aufgerichtet dasaß. Nimue trug ihr weißes Leinengewand mit dem schmalen Sklavengürtel aus Leder und wirkte inmitten der vielen grauhaarigen Männer mit ihren schweren Umhängen sehr zart und verletzlich.
Der Hohe Rat begann, wie alle Ratsversammlungen, mit einem Gebet. Wäre Merlin dabeigewesen, hätte er die Götter angerufen; statt dessen richtete Bischof Conrad von Gwent ein Gebet an den Christengott. Ich sah Sansum in den Reihen der Ratgeber von Gwent sitzen und bemerkte den finsteren, haßerfüllten Blick, den er den beiden Frauen zuwarf, weil sie nicht den Kopf senkten, als der Bischof betete. Sansum wußte, daß die Frauen Merlin vertraten.
Nach dem Gebet übernahm Owain, Dumnonias Champion, der sich zwei Tage zuvor mit Tewdrics besten Kriegern herumgeschlagen hatte, die Herausforderung. Merlin pflegte ihn ein Untier zu nennen, und nun, da er vor dem Großkönig stand, das Gesicht voll blutiger Narben vom Kampf, das Schwert in der Hand, sah er auch wirklich wie ein Untier aus. Er hatte sich einen dicken Umhang aus Wolfsfell um die mächtigen Muskeln der breiten Schultern gelegt. »Ist jemand hier«, dröhnte er finster, »der Uthers Recht auf den Großthron anfechten will?«
Niemand meldete sich. Owain, der ein wenig enttäuscht darüber zu sein schien, daß man ihm nicht Gelegenheit gab, einen Herausforderer zu erschlagen, steckte sein Schwert in die Scheide zurück und ließ sich voll Unbehagen bei den Ratgebern nieder. Er hätte viel lieber bei seinen Kriegern gestanden.
Nun wurde Neues aus Britannien verkündet. Wie Bischof Bedwin berichtete, der für den Großkönig sprach, habe die Bedrohung Ost-Dumnonias durch die Sachsen nachgelassen, wenn auch zu einem Preis, der so hoch war, daß man gar nicht daran denken mochte. Mordred, Edling von Dumnonia und ein Krieger, dessen Ruhm bis ans Ende der Welt reichte, sei in der Stunde des Sieges getötet worden. Uthers Miene verriet nichts, als er der oft berichteten Erzählung vom Tode seines Sohnes lauschte. Arthurs Name wurde nicht erwähnt, obwohl es Arthur gewesen war, der den Sieg vor Mordreds ungeschickter Feldherrnkunst gerettet hatte, und jeder Anwesende in der Halle davon Kenntnis besaß. Bedwin erklärte, die besiegten Sachsen seien aus den Ländern gekommen, die einstmals vom Stamm der Catuvellauner regiert worden seien, und hätten sich, obwohl man sie ganz von jenem uralten Territorium hatte vertreiben können, einverstanden erklärt, einen jährlichen Tribut an Gold, Weizen und Ochsen an den Großkönig zu entrichten. Gebe Gott, setzte er hinzu, daß der Frieden halten möge.
»Gebe Gott«, unterbrach ihn König Tewdric, »daß die Sachsen aus jenen Ländern vertrieben werden!« Bei seinen Worten stießen die Krieger im Hintergrund und an den Seiten der Halle mit ihren Speerschäften aufs Pflaster, und mehr als ein Speer durchstieß die winzigen Mosaiksteinchen. Hunde jaulten.
Im Norden von Dumnonia, fuhr Bedwin ruhig fort, als sich der tosende Beifall gelegt hatte, herrsche Frieden - dank jenes weisen Freundschaftsvertrages, den der edle Großkönig und der edle König Tewdric geschlossen hatten. Im Westen - hier hielt
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