Artus-Chroniken 1. Der Winterkönig
daß sein Herr sein Königreich niemals dem Sohn von Tewdrics erbittertstem Feind anvertrauen würde, kategorisch abgelehnt.
Tristan, Prinz von Kernow, war ein weiterer Kandidat, doch er äußerte Bedenken, weil er sehr wohl wußte, daß niemand in Dumnonia seinem Vater, König Mark, trauen würde. Meriadoc, Prinz von Stronggore, wurde ebenfalls vorgeschlagen, aber Stronggore, ein Reich östlich von Gwent, war schon zur Hälfte an die Sachsen verloren, und wenn ein Mann sein eigenes Königreich nicht halten konnte, wie konnte er dann ein fremdes halten? Was denn mit den Königshäusern von Armorica sei, erkundigte sich jemand, doch niemand wußte, ob die Prinzen jenseits des Meeres ihr neues Land verlassen würden, um Dumnonia zu verteidigen.
Gundleus. Alles deutete wieder auf Gundleus.
Dann jedoch sprach Agricola den Namen aus, den nahezu jeder Mann in der Halle sowohl hören wollte als auch zu hören fürchtete. Der alte Soldat stand da, in seiner glänzenden römischen Rüstung, straffte die Schultern und sah Uther, dem Pendragon, offen in die tränenden Augen. »Arthur«, sagte Agricola. »Mein Vorschlag lautet: Arthur.«
Arthur. Der Name dröhnte durch die Halle. Dann wurde das ersterbende Echo vom plötzlichen Lärm der Speere übertönt, die auf den Boden gestoßen wurden. Die applaudierenden Speerträger waren Krieger aus Dumnonia, die Arthur in die Schlacht gefolgt waren und wußten, was er wert war; aber ihr Aufbegehren währte nur kurz.
Uther, Pendragon, Großkönig von Britannien, hob seinen eigenen Speer und stieß ihn nur ein einziges Mal auf. Sofort herrschte Stille im Raum, in der nur Agricola es noch wagte, den Großkönig herauszufordern. »Ich schlage vor, daß Arthur Norwenna ehelicht«, sagte er ehrerbietig, und selbst ich, jung wie ich war, wußte sofort, daß Agricola für seinen Herrn, König Tewdric, sprechen mußte, und das verwirrte mich, denn ich hatte angenommen, Tewdrics Kandidat sei Gundleus. Falls man Gundleus dazu bringen konnte, sich von Powys abzuwenden, würde das neue Bündnis zwischen Gwent und Siluria das gesamte Gebiet zu beiden Ufern des SevernMeeres besitzen, und dieser Dreibund wäre ein Bollwerk sowohl gegen Powys als auch gegen die Sachsen. Ich hätte natürlich wissen müssen, daß Tewdric, indem er Arthur vorschlug, eine Ablehnung heraufbeschwor, die durch eine Gefälligkeit kompensiert werden mußte.
»Arthur ap Neb«, entgegnete Uther - dieses letzte Wort wurde mit erschrockenem Keuchen aufgenommen -, »ist nicht vom Blut.« Gegen eine derartige Feststellung gab es keinen Widerspruch, und Agricola, der seine Niederlage hinnahm, verneigte sich und setzte sich wieder. Neb bedeutete niemand, und damit leugnete Uther nicht nur, Arthurs Vater zu sein, sondern erklärte auch, daß Arthur nicht von königlichem Geblüt sei und Norwenna daher nicht heiraten könne. Ein belgischer Bischof sprach sich für Arthur aus, indem er anführte, die Könige seien stets aus dem Adel gewählt worden, und Bräuche, die sich in der Vergangenheit bewährt hätten, müßten auch für die Zukunft genügen, doch dieser nörgelnde Einwurf wurde mit einem einzigen finsteren Blick von Uther abgeschmettert. Durch die hohen, schmalen Fenster trieb Regen herein und zischte leise im Feuer. Wieder erhob sich Bischof Bedwin. Es mag den Anschein haben, daß jedes Wort über Norwennas Zukunft bis hierher nur leeres Gerede gewesen sei, doch wenigstens waren alle Möglichkeiten ausgesprochen worden, und die
vernunftbegabten Männer konnten daher die Gründe für die Ankündigung verstehen, die Bedwin jetzt vortrug. Gundleus von Siluria, führte Bedwin mit sanfter Stimme aus, sei ein Mann ohne Gemahlin. Die Anwesenden begannen zu raunen, weil sie sich an die Gerüchte über Gundleus'
skandalöse Vermählung mit seiner niedriggeborenen Buhle Ladwys erinnerten, aber Bedwin ignorierte die Unruhe einfach. Vor einigen Wochen, fuhr der Bischof fort, habe Gundleus bei Uther vorgesprochen und Frieden mit dem Großkönig geschlossen, und nun verkünde Uther mit Freuden, daß
Gundleus sich mit Norwenna vermählen und zum Protektor - dieses Wort wiederholte er -, zum Protektor von Mordreds Königreich ernannt werden solle. Als ernsthaftes Unterpfand seiner guten Absichten habe Gundleus bereits einen Preis in Gold an König Uther bezahlt, und dieser Preis sei als angemessen akzeptiert worden. Es gebe natürlich Leute, gestand Bischof Beldwin leichthin ein, die einem Mann, der noch vor kurzem ein Feind war, kein
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