Artus-Chroniken 1. Der Winterkönig
ergossen oder die rohen
Backsteinmauern herabrannen. Ja, es wurde auf einmal so kalt, daß ein Kohlebecken, ein Eisenkorb von ganzen vier Fuß
Durchmesser, mit Holzscheiten gefüllt und zu Füßen des Großkönigs entzündet wurde. Die königlichen Schilde wurden entfernt und Tewdrics Thronsessel beiseite gerückt, damit die Wärme des Feuers Uther erreichte. Der Rauch zog im Saal umher, sammelte sich in den hohen Schatten und suchte sich einen Weg in den prasselnden Regen hinaus.
Schließlich erhob sich Uther, um sich an den Hohen Rat zu wenden. Er stand unsicher und stützte sich auf einen schweren Speer, um seine Meinung über das eigene Königreich zu verkünden. Dumnonia, sagte er, habe einen neuen Edling, für diese Gnade müsse man den Göttern danken, aber der Prinz sei schwächlich, ein Säugling, und habe einen verkrüppelten Fuß. Als die Anwesenden hörten, wie das Gerücht, das über dieses böse Vorzeichen umging, bestätigt wurde, begannen sie zu tuscheln. Die Unruhe legte sich jedoch, als Uther die Hand hob und Schweigen gebot. Die Rauchschleier, die um ihn herzogen, verliehen ihm eine geisterhafte Aura, als wäre seine Seele bereits mit dem Schattenkörper der Anderwelt bekleidet. Gold glänzte an seinem Hals und an den Handgelenken, und durch seine wirren weißen Haare schlang sich ein dünner Goldreif: die Krone des Großkönigs.
»Ich bin alt«, sagte er, »und habe nicht mehr lange zu leben.«
Er beschwichtigte die Proteste mit einer weiteren matten Handbewegung. »Ich will nicht behaupten, daß mein Reich über allen anderen in diesem Land steht, doch eines weiß ich: Wenn Dumnonia an die Sachsen fällt, wird ganz Britannien verloren sein. Fällt Dumnonia, werden wir die Verbindung mit Armorica und unseren Brüdern jenseits des Meeres verlieren. Fällt Dumnonia, haben die Sachsen Britannien geteilt, und ein geteiltes Land kann nicht überleben.« Er hielt inne, und sekundenlang dachte ich, er sei zu müde, um fortzufahren; dann aber hob sich der riesige Stierschädel, und er sprach weiter. »Die Sachsen dürfen nicht bis ans Severn-Meer vordringen!« rief er laut die Überzeugung hinaus, die in all den vielen Jahren stets den eigentlichen Kern seiner Bestrebungen gebildet hatte. Solange die Sachsen von Briten umgeben waren, bestand die Chance, daß man sie eines Tages ins Germanische Meer zurückdrängen konnte, doch wenn sie unsere Westküste erreichten, hätten sie Dumnonia von Gwent getrennt, und damit die Briten des Südens von den Briten des Nordens. »Die Männer von Gwent«, fuhr Uther fort, »sind unsere besten Krieger…« - hier nickte er Agricola anerkennend zu -, »aber es ist kein Geheimnis, daß Gwent von Dumnonias Brot lebt. Wir müssen Dumnonia halten, sonst ist ganz Britannien verloren. Ich habe einen Enkel, und ihm gehört das Königreich! Nach meinem Tod wird Mordred über das Reich herrschen. So lautet mein Gesetz!« Hier stieß er mit dem Speer auf die Plattform, und einen kurzen Moment lang blitzte die alte, unnachgiebige Kraft des Pendragon aus seinen Augen. Was immer sonst hier entschieden werden sollte - das Königreich würde Uthers Geschlecht nicht entrissen werden, denn so lautete Uthers Gesetz, das war jetzt allen im Saal bekannt. Nun blieb nur noch zu entscheiden, wie das verkrüppelte Kind geschützt werden konnte, bis der Knabe alt genug war, den Thron zu besteigen.
Dann begannen die Diskussionen, obwohl allen Anwesenden von vornherein klar war, daß die Entscheidung längst gefällt war. Warum sonst rekelte sich Gundleus so verdammt selbstsicher in seinem Thronsessel? Dennoch nannten manche Anwesende andere Bewerber um Norwennas Hand. Fürst Gereint, Herr der Steine, der in Dumnonias sächsischen Grenzgebieten herrschte, schlug Meurig ap Tewdric vor, Gwents Edling, aber jeder in der Halle wußte, daß dieser Vorschlag nur dazu diente, Tewdric zu schmeicheln, und niemals angenommen werden würde, denn Meurig war noch ein richtiger Rotzjunge und nie und nimmer in der Lage, Dumnonia gegen die Sachsen zu verteidigen. Nachdem Gereint seiner Pflicht Genüge getan hatte, setzte er sich und hörte zu, wie einer von Tewdrics Ratgebern Prinz Cuneglas vorschlug, Gorfyddyds ältesten Sohn und damit Edling von Powys. Eine Eheschließung mit dem Kronprinzen des Feindes, erklärte der Ratgeber, werde Frieden zwischen Powys und Dumnonia, den beiden mächtigsten Königreichen Britanniens, stiften, doch dieser Vorschlag wurde von Bischof Bedwin, der natürlich genau wußte,
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