Arztgeschichten
das doch so, Doktor. Da kommt so eine Schelmin ins Krankenhaus, man verschreibt ihr ein Medikament, dann fährt sie zurück in ihr Dorf und bewirtet alle Weiber damit.«
»Was reden Sie da, Bürger …«
»Hör auf!« schnitt ihr der Feldscher das Wort ab. »Ich bin schon das achte Jahr hier bei euch. Ich weiß Bescheid.
Natürlich hat sie das Fläschchen auf die einzelnen Höfe verteilt«, fuhr er, an mich gewandt, fort.
»Geben Sie mir noch mehr von den Tropfen«, bat sie mit lieblicher Stimme.
»Nein, Frau«, antwortete ich und wischte mir den Schweiß von der Stirn, »diese Tropfen brauchst du nicht mehr zu nehmen. Ist es besser geworden im Bauch?«
»Und ob, wie weggeblasen!«
»Na großartig. Ich schreib dir andere auf, die sind auch sehr gut.«
Ich verschrieb ihr Baldrian, und sie fuhr enttäuscht wieder nach Hause.
Über diesen Vorfall unterhielten wir uns an meinem Geburtstag in der Arztwohnung, während vor den Fenstern wie ein schwerer Vorhang die ägyptische Finsternis des Schneesturms hing.
»Wie ist das eigentlich«, sagte Demjan Lukitsch und kaute taktvoll eine Sprotte, »wie ist das eigentlich: Wir sind doch hier schon eingewöhnt. Sie aber, lieber Doktor, mußten sich doch nach der Universität und nach der Hauptstadt ganz und gar umstellen. In dieser Einöde!«
»Ach, was für eine Einöde!« echote Anna Nikolajewna.
Der Schneesturm summte im Schornstein und raschelte draußen an der Wand. Ein purpurroter Lichtschein fiel auf das dunkle Ofenblech. Gesegnet sei das Feuer, welches das medizinische Personal in der Einöde wärmt!
»Von Ihrem Vorgänger Leopold Leopoldowitsch haben Sie doch gewiß gehört«, sagte der Feldscher, während er Anna Nikolajewna taktvoll eine Zigarette anbot und sich selbst eine anzündete.
»Ein großartiger Arzt!« sagte Pelageja Iwanowna begeistert und schaute mit glänzenden Augen in das gütige Feuer. Ihr Festtagskamm mit den falschen Steinen glühte auf und erlosch wieder in ihrem schwarzen Haar.
»Ja, eine hervorragende Persönlichkeit«, bestätigte der Feldscher. »Die Bauern haben ihn geradezu vergöttert. Er wußte sie zu nehmen. Sich von Liponti operieren lassen –
jederzeit! Sie nannten ihn nämlich Liponti Lipontjewitsch. Hatten Vertrauen zu ihm. Er verstand auch mit ihnen zu reden. Ja also, eines Tages kommt sein Freund Fjodor Kossoi aus Dulzewo zu ihm in die Sprechstunde. So und so, Liponti Lipontjewitsch, mir ist die Brust ganz beklommen, kann gar nicht durchatmen. Außerdem kratzt es im Hals …«
»Kehlkopfentzündung«, sagte ich mechanisch, seit einem Monat überhasteter Arbeit an ländliche Blitzdiagnosen gewöhnt.
»Völlig richtig. ›Na gut‹, sagt Liponti, ›ich geb dir ein Mittel. Das macht dich in zwei Tagen gesund. Hier hast du französische Senfpflaster. Davon klebst du eins auf den Rücken zwischen die Schulterblätter, das andere auf die Brust. Zehn Minuten drauflassen und dann abnehmen. Marsch! Nun mach!‹ Der andere nimmt die Senfpflaster und geht. Zwei Tage später kommt er in die Sprechstunde.
›Was gibt’s?‹ fragt Liponti.
Da sagt Kossoi zu ihm:
›Ja, wissen Sie, Liponti Lipontjewitsch‹, sagt er, ›Ihre Senfpflaster helfen nicht.‹
›Du spinnst!‹ antwortet Liponti. ›Französische Senfpflaster müssen helfen! Du hast sie wohl gar nicht aufgeklebt?‹
›Was‹, sagt er, ›nicht aufgeklebt? Die kleben immer noch …‹ Dreht sich um, und da klebt das Senfpflaster auf dem Schafpelz!«
Ich lachte schallend, Pelageja Iwanowna kicherte und stocherte mit dem Feuerhaken im Ofen.
»Du meine Güte«, sagte ich, »das ist doch ein Witz, das kann doch nicht wahr sein!«
»Ein Witz? Ein Witz?« riefen die Hebammen um die Wette.
»Von wegen!« rief der Feldscher erbittert. »Wissen Sie, bei uns besteht das ganze Leben aus solchen Witzen. Dinge passieren hier …«
»Der Zucker!« rief Anna Nikolajewna. »Erzählen Sie die Sache mit dem Zucker, Pelageja Iwanowna!«
Pelageja Iwanowna schloß die Ofenklappe und erzählte mit niedergeschlagenen Augen:
»Da komme ich mal nach Dulzewo zu einer Kreißenden …«
»Dieses Dulzewo ist ein berühmter Ort«, warf der Feldscher ein und fügte hinzu: »Verzeihung! Fahren Sie fort, Kollegin!«
»Na, ich untersuche sie natürlich«, fuhr die Kollegin Pelageja Iwanowna fort, »da fühle ich mit den Fingern im Geburtskanal etwas Unbegreifliches, krümelig, kleine Stückchen … Was soll ich sagen – Raffinadezucker!«
»Da haben Sie so einen Witz!« bemerkte
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