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Arztgeschichten

Arztgeschichten

Titel: Arztgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
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einmal einen dunklen Punkt, er wuchs zu einer schwarzen Katze, wurde dann noch größer und kam immer näher. Der Feuerwehrmann drehte sich zu mir um, und ich sah sein Kinn beben.
    »Haben Sie gesehen, Bürger Doktor?«

    Das eine Pferd warf sich nach rechts, das andere nach links, für einen Moment sackte mir der Feuerwehrmann auf die Knie, richtete sich ächzend wieder auf, stemmte sich ein und riß am Zügel. Schnaubend jagten die Pferde weiter. Sie schleuderten Schneeklumpen hoch, liefen holperig und zitterten.
    Auch mich überlief mehrmals ein Zittern. Ich faßte mich jedoch, holte den Browning hervor und verfluchte mich, weil ich das zweite Magazin zu Hause vergessen hatte. Wenn ich schon nicht über Nacht geblieben war, warum hatte ich nicht wenigstens eine Fackel mitgenommen? In Gedanken sah ich eine kurze Meldung in der Zeitung über mich und den unglückseligen Feuerwehrmann.
    Die Katze wuchs bis zur Größe eines Hundes und rannte unweit neben dem Schlitten her. Ich drehte mich um und erblickte dicht hinter dem Schlitten einen zweiten Vierbeiner. Ich kann beschwören, daß er spitze Ohren hatte und dem Schlitten mit Leichtigkeit folgte, als liefe er über Parkett. Diese Verfolgung hatte etwas Drohendes und Freches. Ein Rudel oder nur die beiden? dachte ich, und bei dem Wort »Rudel« überlief es mich siedeheiß unterm Pelz, und die Füße waren nicht mehr kalt.
    »Halt dich fest und nimm die Pferde kräftig am Zügel, ich schieße jetzt«, sagte ich mit einer Stimme, die nicht meine war.
    Der Fuhrmann ächzte auf und zog den Kopf zwischen die Schultern.
    Vor meinen Augen blitzte es, dann krachte es ohrenbetäubend. Noch einmal und ein drittes Mal. Ich weiß nicht mehr, wie lange es mich auf dem Schlittenboden durchrüttelte. Ich hörte die Pferde wild und fast kreischend schnauben, umklammerte den Browning, mein Kopf stieß an etwas, ich wollte mich aus dem Heu rappeln und dachte in tödlicher Angst, gleich würde mir ein riesiger sehniger Körper auf die Brust springen. Schon sah ich in Gedanken mein zerrissenes Gedärm …
    Der Fuhrmann unterdes heulte:

    »Oho…ho … da ist er … da … O Gott, rette uns …«
    Endlich wurde ich mit dem schweren Schafpelz fertig, bekam die Hände frei und richtete mich auf. Weder hinter uns noch neben uns waren die schwarzen Tiere zu sehen. Es schneite sehr dünn und erträglich, und durch den dünnen Schleier blinzelte ein wahrhaft zauberhaftes Auge, das ich unter Tausenden erkannt hätte und noch heute wiedererkennen würde – die Laterne meines Krankenhauses. Dahinter türmte sich etwas Dunkles. Schöner als jeder Palast, dachte ich und feuerte ekstatisch noch zwei Schüsse in die Richtung, in der die Wölfe verschwunden waren.
     
    Der Feuerwehrmann stand mitten auf der Treppe, die aus der unteren Etage der wunderbaren Arztwohnung heraufführte, ich stand oben und Axinia im Schafpelz unten.
    »Und wenn Sie mich vergolden«, sagte der Fuhrmann, »aber noch einmal …« Er sprach nicht zu Ende, kippte verdünnten Sprit und ächzte laut, dann wandte er sich Axinia zu und sagte, die Arme ausbreitend, so weit es ihm seine Ausrüstung erlaubte: »Sooo groß …«
    »Ist sie tot? Nicht durchgebracht?« fragte mich Axinia.
    »Tot«, antwortete ich gleichmütig.
    Eine Viertelstunde später war alles still, unten wurde das Licht ausgemacht. Ich war oben allein. Unter krampfhaftem Auflachen öffnete ich die Knöpfe meines Kittels, schloß sie wieder, ging zum Bücherregal, nahm einen Band Chirurgie heraus, wollte über Schädelbasisbrüche nachlesen, legte das Buch weg.
    Als ich mich auszog und unter die Decke schlüpfte, schüttelte mich ein Zittern; langsam ließ es nach, und Wärme zog durch den Körper.
    »Und wenn Sie mich vergolden«, brummte ich im Einschlafen, »aber noch einmal fahre ich nicht …«
    Du fährst, und ob du fährst, pfiff spöttisch der Schneesturm. Dröhnend fuhr er über das Dach hin, sang im
Schornstein, flog wieder hinaus, raschelte vor dem Fenster, verschwand.
    Du fährst, du fährst, tickte die Uhr, aber immer dumpfer, dumpfer …
    Und nichts mehr. Stille. Schlaf.
     
    1926

Ägyptische Finsternis
    Wo ist die ganze Welt an meinem Geburtstag? Wo sind die Lichter von Moskau? Die Menschen? Der Himmel? Vor den Fenstern ist nichts! Finsternis …
    Wir sind abgeschnitten. Die ersten Petroleumlampen finden sich neun Werst von hier auf der Eisenbahnstation. Dort blinkt gewiß ein Laternchen, vom Schneesturm erstickt. Um Mitternacht fährt

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