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Asche und Phönix

Asche und Phönix

Titel: Asche und Phönix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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erwartete er ein Sonderkommando der Polizei. Aber weit und breit war niemand zu sehen. Er seufzte hörbar.
    »Da entlang«, sagte Ash.
    »Könnte sein, dass am Lieferanteneingang Fotografen warten.«
    »Wir biegen vorher ab. Vertrau mir einfach.«
    Wenig später gelangten sie auf eine Straße, die von Reihen weißer Häuser gesäumt war, alle mit schmiedeeisernen schwarzen Zäunen, Treppenaufgängen und Säulen rechts und links der Türen. Ash erinnerten die Straßen in Londons feineren Stadtteilen immer daran, wie sie als Kind in den Badezimmerspiegel ihrer Großmutter geschaut und die beiden Seitenfächer geöffnet hatte; vor ihr war ein endloser Korridor aus Spiegeln in Spiegeln entstanden, aus denen sie hundertfach ihr eigenes Ebenbild angesehen hatte. Es hätte sie nicht überrascht, in den Fenstern all dieser identischen Häuser das immer gleiche gefangene Gesicht zu entdecken.
    »Dahinten«, sagte sie zu Parker, »am Ende der Straße, geht’s zurück zum Hotel. Falls du es dir noch anders überlegst.«
    Er atmete auf wie jemand, der gerade einen Berggipfel bezwungen hat.
    Ash runzelte die Stirn. »Ist ein schweres Schicksal, jeden Morgen in einem Himmelbett aufzuwachen und sich das Frühstück bringen zu lassen, hm?«
    »Du hast keine Ahnung.«
    »Ach, komm, spar dir die Notting-Hill -Nummer. Mag ja sein, dass du dich in deinem Elfenbeinturm schrecklich eingeengt fühlst. Aber wenn wir vom gemeinen Volk mit unseren rußigen Gesichtern und entzündeten Augen durch die Fenster zu euch reinschauen, sehen wir vor allem Teegesellschaften, Blumengestecke und Jagdhunde auf dem Kaminvorleger.«
    Sein Blick verfinsterte sich. »Deine Kindheit im Waisenhaus würde mich bestimmt ganz betroffen machen.«
    »Schade, dass wir keine Zeit dafür haben und uns nie wiedersehen werden.«
    »Darüber wollte ich noch mit dir reden.«
    Sie erreichten die Park Lane an der Ostseite des Hyde Park. Nicht weit bis zur U-Bahn-Station Marble Arch. Zahllose Autoscheinwerfer glitten an ihnen vorüber. Trotz der Dunkelheit zog Parker eine Sonnenbrille aus seiner Jacke und setzte sie auf.
    »Worüber reden?«, hakte sie argwöhnisch nach. Falls er sein Geld zurückverlangte, bekäme er seine erste Nasen-OP kostenlos.
    Er klopfte auf das Portemonnaie in seiner Jacke. »Du hast alles rausgenommen, oder?«
    »Was hast du erwartet?«
    »Keine Sorge, du kannst es behalten. Aber du hast wahrscheinlich gesehen, dass keine Kreditkarten drin waren.«
    »Hat Daddy sie dir weggenommen?«
    »Meine Assisten–« Er brach ab und setzte neu an: »Mein Vater hat diesen Wachhund auf mich angesetzt. Chimena. Sie hat alle meine Karten.«
    Vielleicht war ja doch was dran an diesem Gerede vom goldenen Käfig. »Und?«
    »Ich bin völlig blank.«
    »Was mich inwiefern was angeht?«
    Er hob die Schultern, als müsste sie ganz genau wissen, worauf er hinauswollte.
    »Wir hatten eine Absprache«, sagte sie. »Ich hab dich aus dem Hotel gebracht. Keiner hat dich gesehen. Du kannst dir jetzt einen Schnauzbart ankleben und die Gebräuche des Pöbels studieren, o mein Kalif.« Sie war drauf und dran, hinüber zur Treppe der U-Bahn-Station zu gehen, aber etwas ließ sie noch zögern. »Hier« – sie zog das flache Geldbündel aus der Tasche – »davon kannst du dir nicht mal eine Übernachtung in einem anderen Hotel leisten. Ich lebe davon fast zwei Wochen.«
    »Ich will’s gar nicht haben.«
    Ihr Misstrauen blieb, während sie die Scheine wieder einsteckte. »Was dann?«
    »Irgendwo muss ich schlafen.«
    »Der Park ist gleich da drüben.«
    »Dort finden sie mich.« Er druckste herum. »Du wohnst doch irgendwo. Nimm mich mit. Nur für eine Nacht. Ich schlafe auf dem Boden, du wirst nichts von mir sehen oder hören. Nur für heute, mehr will ich gar nicht.«
    »Vergiss es.«
    »Falls du einen Freund hast … Wir könnten es ihm erklären.«
    »Er ist zwei Meter groß, hat Knasttattoos und spricht nur Russisch.«
    »Ihr redet nicht viel, hm?«
    In einer hilflosen Geste warf sie die Arme in die Höhe. »Es geht nicht, okay? Unsere Geschäftsbeziehung endet genau hier. Ich verschwinde jetzt in der U-Bahn und du gehst … ich weiß nicht, irgendwohin.«
    Und damit wandte sie sich zur Straße um und wartete auf eine Lücke im Verkehr. Der Eingang zur U-Bahn-Station befand sich auf der gegenüberliegenden Seite; es gab auch einen Zugang hier bei ihnen, ein Stück weiter die Straße hinauf, aber sie wollte ein Zeichen setzen, indem sie eine Menge Autos zwischen sich und

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