Asche zu Asche
Schaltknüppel ruhte. Den Rest des Weges zu unserer alten Wohnung schwiegen wir. Obwohl ich nur wenige Wochen fort gewesen war, hätte ich vor Erleichterung fast geweint. Wir fuhren an den markanten Ecken unserer Nachbarschaft vorbei: La Vitesse , das Gericht, das Kriegerdenkmal, verdammt, sogar das Brandywine Inn an unserer Ecke – alles hätte mich auf einmal zu Tränen rühren können. Wir parkten auf der Straße – alle Parkplätze waren besetzt – und gingen zum Haus hinüber.
Bevor Nathan die Haustür aufschloss, hielt er mich einen Moment zurück. „Hör mal, wenn du die Wohnung siehst …“
„Überall ist Unrat und schmutziges Geschirr?“, gab ich zurück. „Glaub mir, darauf bin ich heute Nacht vorbereitet.“
„Nein, darum geht es gar nicht.“ Er schwieg. „Okay, überall liegt Zeug herum, aber ich habe das Geschirr abgewaschen. Was ich meine … Ich habe dein Zimmer umgeräumt.“
„Oh.“ Mir wurde mulmig zumute. „Was hast du umgeräumt?“
Er kratzte sich am Kopf und sah die Straße hinauf und hinunter, als ob jemand, der vorbeifuhr, ihn aus dieser Situation retten würde. „Vielleicht ist es besser, du siehst es dir einfachan und schreist mich dann an. Oder auch nicht.“
Ich versuchte, nicht die Treppen hochzustürmen, sobald er die Haustür aufgeschlossen hatte, und wartete mit unglaublicher Geduld darauf, dass er die Wohnungstür öffnete. Im Wohnzimmer lagen überall Bücher herum. Auf jeder erdenklichen Ablage stapelten sie sich. Obwohl er mir versicherte, dass er das Geschirr abgespült hatte, sah ich auf einen Blick vier oder fünf blutverkrustete Becher herumstehen. Und das Sofa wirkte wie ein Zwischenlager für Wäsche mit unterschiedlichen Verschmutzungsgraden. Die Tür, die vom Flur in mein Zimmer führte, stand offen.
„Geh und schau es dir an“, murmelte Nathan.
Als ich das Licht anschaltete, sah ich zuerst, dass gestrichen worden war. Irgendwie hatte es Nathan geschafft, die mattschwarzen Wände von Ziggy mit einem hellen lilafarbenen Ton zu übermalen. Mein Schreibtisch und der Computer standen noch am gleichen Platz, aber sie waren von einer Plastikfolie bedeckt, die mit Farbe bekleckst und mit Sägespänen übersät war. Nagelneue Bücherschränke, die bis zur Decke gingen, standen dort, wo zuvor mein Bett gewesen war.
Ich lehnte mich gegen den Türrahmen, um Luft zu holen und meine Gedanke zu ordnen. Ich wollte das alles begreifen, ohne mir sofort übertriebene Hoffnungen zu machen.
„Ich weiß, dass ich ein gewisses Risiko eingegangen bin, aber ich dachte mir, dass du ein ordentliches Arbeitszimmer brauchst. Oder zumindest, dass du einen Ort brauchst, an den du dich zurückziehen kannst, wenn ich dich wahnsinnig mache.“ Nathan stand eine Weile hinter mir, dann zwängte er sich an mir vorbei ins Zimmer. Er deutete auf die Bücherschränke. „Ich habe denselben Schreiner beauftragt, der auch die Bücherregale im Laden gebaut hat. Gefällt es dir?“
„Ja, es ist sehr schön, aber …“ Ich dachte daran, dass ich damit begonnen hatte, über Vampire zu recherchieren, um dieInformationen auch anderen Vampiren zugänglich zu machen. Doch ich musste an unsere aktuelle Lage denken. Ohne die Bewegung gab es weder eine Form der Kommunikation noch ein Netzwerk unter den Vampiren. Und es war ja nicht so, dass meine Aufsätze über den Metabolismus und meine Doktorarbeit über den Energiehaushalt von Vampiren im New England Journal of Medicine erschienen. Genauso wenig würden sie es in die Bestseller-Listen für Belletristik schaffen. „Nathan, es gibt wirklich keinen Grund, warum ich meine Recherchen fortsetzen sollte.“
„Wegen der Bewegung?“ Er schwieg und fuhr mit der Hand über die Kante eines Bücherregals. „Das ist doch kein Grund, all die Arbeit, die du schon gemacht hast, aufzugeben.“
In seinen Worten schwang Bewunderung mit. Irgendwie schien es mir, dass sein Lob mehr zählte als das von anderen Menschen. Die ganze Zeit meiner beruflichen Karriere als Ärztin hatte ich vergeblich versucht, mein Selbstwertgefühl anhand des Lobes meiner Professoren und Chefs zu stärken. Nathans indirekte Anerkennung war wie Wasser für eine vertrocknende Pflanze, und ich war seltsam berührt.
Aber meine Gefühle schwanden ein wenig, als ich mich dorthin umdrehte, wo mein Bett früher gestanden hatte. „Äh … wo ist mein Bett?“
„Oh, ich habe es nach unten, in den Raum hinter dem Laden gebracht.“ Er trommelte mit seinen Knöcheln auf einem Regalbrett
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