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Aschenpummel (German Edition)

Aschenpummel (German Edition)

Titel: Aschenpummel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Miedler
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habe ich weder Zeit noch Muße, seinen Verkauf zu inserieren oder sonstige Anstrengungen in dieser Angelegenheit zu unternehmen.« Er zuckte mit den Schultern und sah auf einmal fast schüchtern aus. Aber das bildete ich mir sicher nur ein. »Sie würden mir einen Gefallen tun, wenn Sie ihn annehmen.«
    Warum machte er das? Was wollte er von mir? Ich musste ihm trotzdem Geld dafür anbieten. Zweitausend hatte ich auf der Seite. Wenn ich dazu noch die ganzen Münzen aus meinem Schuhkarton nehmen würde, dann käme ich auf –
    »Er hat eine Gangschaltung, oder?«, platzte es plötzlich aus mir heraus. Ich hätte mich für meine Unverfrorenheit in den Hintern beißen können, aber was sollte ich machen, diese Frage war von existenzieller Wichtigkeit für mich.
    »Er hat eine Gangschaltung, ja. Ist das ein Problem?«
    »Es … es tut mir so leid, Sie sind so dermaßen nett zu mir und ich – es tut mir leid, die Sache ist nur die … ich kann mit Gangschaltung nicht fahren.«
    »Ach, das verlernt man nicht, das ist wie Fahrrad fahren.«
    Ich wollte ihn nicht zusätzlich schockieren und verschwieg, dass ich noch nie in meinem Leben auf einem Fahrrad gesessen hatte. »Ähm«, machte ich stattdessen, »ähm, ich bin seit meiner Führerscheinprüfung vor acht Jahren nur mehr mit Automatik gefahren.«
    Da war es wieder, das Vertrauen erweckende Lächeln, der sanfte Lidschlag. »Das kriegen wir schon hin. Ein paar Fahrstunden bei mir, und Sie sind Formel-1-tauglich.«
    Ich musste lachen. Verschämt senkte ich den Kopf. Dann fiel mir ein, dass Männer es mochten, wenn Frauen selbstbewusst waren, also hob ich den Kopf wieder und ging sogar so weit, beim Lachen zwei Reihen Mäusezähnchen zu zeigen. Strohmann stutzte, ich erinnerte mich an seine Profession und klappte sofort den Mund zu.
    »Fahrstunden«, sagte ich schließlich.
    »Ja«, antwortete er. »Genau das werden wir machen. Übrigens, ich bin der Hubertus.«
    Nicht lachen, Teddy! »Ich bin die Teddy«, brachte ich stockend hervor.
    Er rückte etwas näher und raunte: »Vertrauen Sie mir, Teddy. Ich bin ein guter Lehrer.«
    Ich hatte keine Ahnung, ob er das beabsichtigt hatte, aber ich konnte auf einmal an nichts anderes denken als an die Lehren des Kamasutra.
    Irgendwie schaffte ich es ins Auto. Der Fahrersitz war heiß, und obwohl ich wusste, dass die Sonne dafür verantwortlich war, spürte ich regelrecht den Gesäßabdruck des Zahnarztes unter mir. So bescheuert wie die paar hundert Meter nach Hause war ich in meinem ganzen Leben nicht gefahren. Ich dankte Gott dafür, dass noch kein Fahrlehrer neben mir saß. Ich verwechselte Brems- mit Gaspedal und vergaß bei beiden Gassen, die ich passierte, dass ich keine Vorfahrt hatte. Zum Abschluss brachte ich es fertig, mich in der fünf Meter langen Parklücke mit dem Vorderrad auf den Gehsteig zu stellen.
    Mein Kopf wackelte vor Aufregung. Was wollte der Zahnarzt von mir? Ich hatte doch nichts. Ich war nicht reich, nicht schön, hatte weder berühmte Verwandte noch sonst was vorzuweisen. Doch irgendetwas an mir musste für ihn interessant sein.
    Bestand die Möglichkeit, dass ich mich seit der letzten Nacht derart geändert hatte, dass mich plötzlich eine faszinierende Aura umgab? Etwas wahnsinnig Anziehendes, dem niemand widerstehen konnte? War ich durch den Beschluss, mein Leben von einer vollkommen neuen Seite anzugehen, zu einer Art Persönlichkeit geworden? Ich lachte leise vor mich hin und fand es seltsam, dass es wie ein Meckern klang. So sollte das Lachen von großen Persönlichkeiten nicht klingen.
    Verwirrt und leicht euphorisch stieg ich die Wendeltreppe bis in den fünften Stock hinauf. Ich sperrte meine Wohnung auf und stellte mich gleich mal vor den Ganzkörperspiegel im Vorzimmer. Ich sah aus wie immer. Ich lachte noch einmal so wie vorhin, als ich mit dem Zahnarzt gesprochen hatte, und erstarrte.
    In jeder erdenklichen Ritze zwischen meinen Zähnen pickte Mohn! Es sah aus, als hätte ich eine ganze Ameisenfamilie gefressen. O Gott, hatte ich ihm heute Morgen auch meine Zähne gezeigt? Ob er sich daran erinnerte? Bitte, bitte, er musste einfach wissen, dass schwarz zwischen den Zähnen nicht Standard bei mir war. Doch wie stark musste diese neue Aura um mich herum eigentlich sein, dass er sich nicht mal durch die Ameisenstückchen hatte abschrecken lassen?
    Mit dem Fingernagel stocherte ich in den Ritzen herum. Anschließend saugte ich den angesammelten Mohn unter meinem Nagel zurück in den Mund.

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