Aschenpummel (German Edition)
würde …«
»Doch, doch, das tun Sie. Viel zu viel. Sie müssen sich einfach unter meine Fittiche begeben. Bevor ich es vergesse, woher kennen Sie denn eigentlich meine Schwester Teddy?«
»Schwester?« Vanessa war sichtlich fasziniert. Sie konnte gar nicht oft genug von Tissi zu mir und von mir zu Tissi schauen. »Sachen gibt’s«, flüsterte sie schließlich ehrfürchtig. Um gleich darauf wissenschaftlich zu werden: »Diese Genetik …«
»Nicht wahr?« Tissi kicherte amüsiert. »Und es kommt noch besser: Ich bin die Ältere.«
Hätte ich bis dahin ein anderes Leben gehabt, wäre ich gekränkt gewesen. So aber saß ich seelenruhig auf meinem Hocker und staunte selbst mal wieder über den Spaß, den Mutter Natur sich mit uns Schwestern erlaubt hatte. Man konnte es wirklich niemandem verübeln, wenn er die Verwandtschaft anzweifelte.
Tissi schnippte mit den Fingern. »Teddy, Mama hat mich heute schon wieder angerufen, weil du dich nicht anständig um sie kümmerst. Tu das bitte endlich mal. Ich habe fünf Tage die Woche damit zu tun, mir das Gejammer von irgendwelchen Leuten anzuhören«, sie schenkte Vanessa ein zuckersüßes Lächeln, »- nichts für ungut, meine Liebe –, da brauche ich am Wochenende wirklich meine Ruhe.«
»Ja, Tiss-, äh Tira.«
Sie klopfte an meine Stirn. » Mer-ken bitte!« Dann legte sie die Hand auf Vanessas Arm. »Es hat mich schrecklich gefreut, Sie kennenzulernen. Und bitte, kommen Sie bei mir vorbei. Dann können wir uns über die enorme Belastung unterhalten, die der Umzug und die ganze Veränderung für Sie Arme bedeutet.« Einen Moment lang betrachtete sie ihr Gegenüber prüfend, dann fuhr Tissi fort. »Daher kommen wahrscheinlich auch die vielen Falten. Meine Güte, Sie Arme …« Sie seufzte mitfühlend, dann rauschte sie hinaus.
»Deine Schwester ist entsetzlich direkt«, keuchte Vanessa.
»Ich weiß … es … tut mir wirklich leid, du musst vergessen, was sie gesagt hat, durch ihren Beruf ist sie immer so … so, sie sieht in allem das Schlimmste, deine Falten …«
Vanessa kicherte. »Falten? Mach dich nicht lächerlich, die ist doch nur neidisch. Nein, ich meinte das, was sie über dich gesagt hat. Sie tut ja so, als wäre nur ihr Leben wichtig, außerdem tut sie so, als wärst du Gott weiß wie unansehnlich!«
»Und das bin ich nicht?«, fragte ich unsicher.
»Teddy, nein, du siehst … reizend aus. Wirklich reizend.«
Vor Dankbarkeit stiegen mir die Tränen in die Augen. Es war das erste Mal in meinem Leben, dass jemand was Positives über mein Äußeres sagte.
Ich senkte den Kopf und weinte plötzlich, was das Zeug hielt. So wie sie vorhin. Nur wo sie sanft geschluchzt und gekiekst hatte, schnaufte und grunzte ich.
»Du siehst reizend aus. So reizend«, wiederholte sie in einem fort. Irgendwann schaffte ich es, den Kopf zu heben und hervorzupressen: »Jetzt gerade aber nicht, oder?«
Sie lächelte, und ich lächelte zurück. Danach bekam ich Schluckauf.
Vanessa legte den Arm um meine Schulter und küsste mich sogar auf den Kopf. Eine Sache, die normalerweise nur mein Vater, Henry Fonda, machte. Und zwar dann, wenn er mich seinen Kollegen in Hollywood vorstellte und Charles Bronson und Claudia Cardinale erklärte, dass ich seine größte Stütze, sein ganzer Stolz sei.
»Ich glaube, wir werden gute Freunde sein«, sagte Vanessa plötzlich. »Wirklich«, hauchte ich, und sie war mir tatsächlich so nah in diesem Moment, dass es mir nicht besonders seltsam vorgekommen wäre, wenn wir auch noch angefangen hätten, uns gegenseitig Zöpfe zu flechten.
Sie gab mir ihre Handynummer und beschwor mich, sie doch wirklich und unbedingt bald anzurufen. Ich schwitzte, der Stift in meiner Hand zitterte. Ich versuchte krampfhaft, das Zittern vor ihr zu verstecken, sie durfte nicht merken, wie wichtig sie plötzlich für mich war. Ich hatte keinerlei Erfahrung in diesen Dingen, und Vanessas Freundlichkeit, um nicht zu sagen Zuneigung, überforderte mich schlicht. Wie reagierte man als normaler Mensch auf so was? Dankbar? Euphorisch? Cool? Und woher wusste ich, ob sie es tatsächlich ernst mit mir meinte? Ich wollte es so gerne glauben.
Zum Abschied nahm sie mir das Versprechen ab, bei ihrem nächsten Besuch im Laden sämtliche Stöckelschuhe anprobieren zu dürfen, und warf mir außerdem eine Kusshand zu, die ich voller Begeisterung und mit einem lauten Schmatzen zurückgab.
Weg war sie. Ich sank auf meinen Hocker. Was war ich für ein gesegnetes
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