Aschenpummel (German Edition)
die Tür aufsperren konnte, zum Mithineingehen war ich allerdings zu lahm. Die Tür fiel hinter ihm ins Schloss. Blöd. Das wäre die Chance gewesen. Voll verbockt.
Unverrichteter Dinge wieder heimfahren und die ganze Nacht voller Panik wach liegen und auf morgen warten, war so ziemlich das Letzte, worauf ich Lust hatte. Ich guckte nach oben zu den Fenstern. Ein Zeichen, bitte, ein Zeichen. Von oben kam nichts. Hmm … ich blickte auf die andere Straßenseite. Das Einzige, was dort ins Auge stach, war ein beleuchtetes Schild, auf dem das Wort »Einrahmen« stand. Der lauten Musik und den Silhouetten hinter den Fenstern nach zu urteilen, handelte es sich dabei um ein Lokal.
War das mein Zeichen? Der Pirat wohnte direkt gegenüber, wahrscheinlich war er schon mal in dem Lokal gewesen, oder? Vielleicht war er ja sogar jetzt gerade drin. Aber ich in einem Nachtlokal? In einer Bar? Wurscht. Energisch schritt ich über die Straße. Ich zog die Tür vom Einrahmen auf, bevor die Feigheit Zeit hatte, mich einzuholen. Sollten sie mich doch alle angaffen, wenn ich eintrat. Sollten sie mit dem Finger auf mich zeigen, mich beleidigen und auslachen, ich würde mit erhobenem Kopf und geradem Rücken an ihnen vorbeimarschieren. Ich, die Braut des Piraten.
Und dann stand ich im Einrahmen . Keiner würdigte mich eines Blickes. Direkt vor mir rieb eine junge Frau ihren dünnen Körper an einem Mann, dessen Haare bis zum Hintern reichten. Es war volles, glänzendes Haar, und ich hätte sofort mit ihm getauscht. Die Dünne rief mir irgendetwas zu, das ich aber nicht verstehen konnte, weil die Musik viel zu laut war. Eifrig beugte ich mich zu ihr. Sie wiederholte ihren Satz, irgendwas mit »eilig« und »bitte«. Ich signalisierte ihr, dass ich noch immer nicht verstanden hatte, und hielt ihr mein Ohr hin. Daraufhin bündelte sie alle Kräfte, die ihr dürrer Körper aufbringen konnte, in ihre Stimme und brüllte mich an: »Ich sagte, geil dich bitte woanders auf !«
Ich zuckte zurück. Es kam mir gar nicht in den Sinn, mich zu verteidigen, was hätte ich auch sagen sollen – dass ich auf die Haare von ihrem Freund neidisch war? Ich wollte einfach nur weg von den beiden. Ich zwängte mich durch die vielen Menschen nach hinten, dorthin, wo ich Tische vermutete. Irgendwo alleine sitzen und den Kopf in die Speisekarte stecken. Tische fand ich schon, allerdings nur diese hohen, zum Stehen. An der Bar war ein Hocker frei, ziemlich in der Mitte.
Ich hatte noch nie zuvor an einer Bar gesessen, und eigentlich wäre ich in diesem Moment lieber gestorben als mich dort niederzulassen. Doch wie, Teddy, wie willst du jemals etwas mit Mama oder dem Piraten oder sonst was ändern, wenn du nicht mal das schaffst? Wurscht, Teddy, wurscht. Ich drängte mich also nach vorne an die Theke und kletterte auf den Hocker, der anscheinend nichts anderes im Sinn hatte, als mich schnell wieder abzuwerfen. Er schwankte, und ich musste mich mit beiden Händen an der Bar festhalten, um nicht umzukippen.
Ich nahm mir ein paar Erdnüsse aus dem Schälchen, das vor mir stand, und überlegte grade, wie riesig wohl mein Hintern auf dem Hocker aussehen mochte, da bewegte sich auch schon der Barkeeper auf mich zu.
»Was bekommst du?«, brüllte er.
»Eine Cola Light!«, brüllte ich zurück.
Er wackelte mit dem Zeigefinger. »Keine Limonaden!«
»Aha! Was denn dann?«
Von irgendwoher zauberte er eine Karte herbei, und ich betete darum, dass ich was Essbares drin finden würde.
Nichts. Nicht mal einen Schinken-Käse-Toast und dabei hatte ich mal gehört, dass es in jedem Lokal zumindest Schinken-Käse-Toasts gab. Keine Limonaden. Einen Espresso könnte ich nehmen. Oder ein Mineralwasser.
Oder Alkohol.
Ich spähte nach links und rechts, warf sogar einen Blick hinter mich. Keine Tissi da und keine Mama. Natürlich nicht, warum sollten sie auch. Doch mir war, als würde ich ihr Kommen quasi heraufbeschwören, wenn ich nur daran dachte, mir Alkohol zu bestellen. Mama würde mich vierteilen lassen. Ich ging die Cocktails auf der Karte durch. Meine Wahl fiel auf den Long Island Ice Tea, weil ich gerne Eistee trank und ich mir vorstellte, dass in einem solchen Getränk nicht viel Alkohol sein würde.
»Einen Long Island Ice Tea, bitte!«, brüllte ich den Barkeeper an, der neben seinem Ohr einen silbernen Becher schüttelte. Wie im Fernsehen. Dass es so was in Wirklichkeit gab? Ich musste grinsen.
Der Drink kam und ich nahm gleich einmal drei große Schlucke durch
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