Aschenpummel (German Edition)
Geschöpf. Ich hatte den Piraten, ich hatte Bonnie-Denise, und jetzt hatte ich sogar Vanessa.
Ein Uhr war längst vorbei, ich konnte den Rollladen herunterlassen, das Geschäft zusperren und nach Hause gehen. Sinatra sang zum Abschied »My Way« und ich sang lautstark mit. Das Leben war schön.
So schön, dass ich mir beim Bäcker an der Straßenbahnhaltestelle ein großes Stück Mohnkuchen kaufen musste, immerhin hatte ich heute schon gesportelt und genauso gut konnte ich morgen damit anfangen, dünn zu werden.
Die Straßenbahn kam, und ich stieg ein. Und mit jeder Station, die sie mich meiner Wohnung näher brachte, wusste ich, dass ich es heute ausprobieren musste. Jetzt gleich.
5
Ich stieg bei der Nussdorfer Straße aus und marschierte die Stiegen zur Liechtensteinstraße hinunter. Beschwingt und entschlossen zugleich klackerten meine Sandalen bei jedem Schritt, und ich fühlte mich stark, mutig und – hübsch. Ja, hübsch.
Mein Auto war klein, rostig und irgendwann einmal grün gewesen. Ich ärgerte mich, als ich beim Aufsperren einen Adrenalinstoß verspürte. Mutige Menschen sollten nur dann unter Adrenalin stehen, wenn sie andere aus brennenden Häusern retten. Ich wusste, dass ich nicht lange darüber nachdenken durfte. Einfach anlassen, die Automatik auf D stellen, den Fuß aufs Gaspedal und los. Doch ein gelbes Auto vorne und ein rotes hinten bremsten mich aus, bevor ich überhaupt losfahren konnte. Ich war eingekeilt.
Acht Minuten brauchte ich, um aus der Parklücke zu kommen, zweimal stieß ich an das rote Auto an und einmal an das gelbe. Noch dazu wartete schon irgend so eine Riesenkiste auf meinen Parkplatz. Du Idiot, kannst du nicht weiterfahren, die Lücke ist sowieso viel zu klein für dich! Gott! Ich hasste nichts mehr auf der Welt, als beim Ausparken beobachtet zu werden, nur Einparken war noch schlimmer.
Als ich es endlich auf die Fahrbahn geschafft hatte, wusste ich nicht, wen ich zuerst totschlagen sollte, mich oder mein Auto. Ich war die verdammt noch mal arschschlechteste Ausparkerin der Welt!
Und die verdammte Schrottkarre hatte in diesen paar Minuten schon dermaßen viele verdächtige Geräusche von sich gegeben, dass ich eigentlich gar nicht mehr weiterfahren brauchte, um zu wissen, dass die paar Ruhetage ihm nicht geholfen hatten, seine Macken auf die Reihe zu kriegen! Ich trat das Gaspedal beinahe durch und mein Auto fuhr ganze dreißig. Shiiiiit! Ich hätte losbrüllen können.
Hinter mir hupte es. Die Riesenkiste. Ja, verdammt, wusst’ ich doch, dass du nicht in die Lücke passt, Arschloch! Ich kann nicht schneller, siehst du das nicht, es geht nicht! Die Kiste hupte noch einmal. Ich starrte in den Rückspiegel und gestikulierte wild nach hinten. Der Typ in dem Wagen gestikulierte zurück. Ich zeigte ihm den Mittelfinger, und um meinen Standpunkt wirklich deutlich zu machen, wackelte ich mit dem ganzen Arm auf und ab. Das Fett am Oberarm wackelte mit und ich wurde noch wütender. »Arschloooch!«, brüllte ich und bog in die nächstbeste Gasse rechts ein, um den Idioten loszuwerden. Er bog ebenfalls ab. Ich fluchte weiter und fuhr an den Straßenrand, er stellte sich hinter mich. Ich schnappte nach Luft. Scheiße, dieser Vollbimpf will sich mit mir anlegen. Na warte!
Herrlich, wie mutig Wut machen kann. Ich stieß meine Tür auf, sprang aus dem Fiat und – stand dem Zahnarzt gegenüber.
»Schönes Auto«, murmelte ich. Aliens, bitte kommen.
Er dirigierte mich auf den Gehsteig. Hatten wir das heute nicht schon mal? Seine Augen blickten ernst auf mich herab. Ja, Herr Doktor, ich leide sicher am Tourette-Syndrom, ja, lassen Sie mich einweisen. Ich wusste, ich sollte mich entschuldigen, war aber viel zu trotzig dazu, also blickte ich einfach genauso ernst zurück. Mein Mund war verkniffen, seiner hingegen zuckte plötzlich. Und dann lachte er laut auf. Natürlich hätte ich einfach mitlachen sollen, wie es sich im Zwischenmenschlichen so gehört. Doch ich konnte nicht, die Wut auf ihn und der Kummer wegen meines Autos und die Angst vor morgen lähmten mich. Trotzdem wollte ich dem Zahnarzt gefallen. Ich wollte jedem Mann gefallen. Also gab ich mir einen Ruck und kicherte so gut es ging mit. Er wischte sich die Lachtränen von den Wangen und sagte: »Sie haben ganz schön Feuer in sich.«
Das Kichern wurde von einem debilen Teenagergrinsen abgelöst. Himmelschimmel, der wird noch glauben, du bist total verknallt in ihn! Es war aber auch fies für eine Frau, die sonst nie
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