Aschenpummel (German Edition)
liegen und vom Piraten träumen war gestrichen. Abends auf dem Sofa lümmeln war gestrichen. Futtern, was und so viel ich wollte, war gestrichen.
Ich stellte mir einen Stundenplan zusammen. Ausgehend von meiner eigenen Vorstellung einer Schnellverschönerung – die Tipps hierfür holte ich mir aus bunten, dünnblättrigen Magazinen – und Giselas Anregungen zur Festigung meiner Persönlichkeit.
6:30: Aufstehen, duschen. Und zwar diese schmerzhaften Wechselduschen, mal kalt, mal heiß.
Zum Frühstück eine Tasse schwarzer Kaffee, wobei der Sud auf die Oberschenkel kommt, als preisgünstiges Mittel gegen Cellulite. Dazu eine Scheibe Vollkornbrot belegt mit sogenanntem Putenschinken (Eine Pute verdient niemals den Beinamen »Schinken«!). Dazu zwei große Gläser Wasser.
7:15: Rein in die Laufklamotten und mit vollgepacktem Rucksack Richtung Schwimmbad joggen.
8:00: Als wahnsinniger allererster Badegast ins Becken hüpfen und zwanzig Längen schwimmen, bis es
8:30: ist. Dann Pause mit einem Viertelliter Multivitaminsaft oder kaltem Tee. (Der Tipp stammte von Gisela, damit ich vor Anstrengung nicht austrocknete.)
8:50: Noch mal ins Becken und wassertreten, wassertreten, wassertreten.
9:15: Sauna. Ohne Handtuch, um dieses gesunde und positive Gefühl für meinen Körper zu entwickeln. (Gisela)
9:35: Duschen, Haare föhnen, umziehen.
Wasser und Obst konsumieren. (Gisela: Flüssigkeit und Nahrungsaufnahme sind auch bei einer Diät wichtig, meinte sie.)
10:15: Flotter Spaziergang Richtung Schuh-Bi und dann endlich um
11:00: Arbeit!
19:00: Fahrstunde mit dem Zahnarzt. Kein Abstecher davor zum Piraten, er sollte sich bis Samstag verzehren (Gisela) – ich zumindest verzehrte mich.
20:30: Abendessen zu Hause – ungesund spät zwar, aber durch die Fahrstunden nicht anders machbar. Gedünstetes Gemüse (Fenchel und solche Leckereien).
Danach: Fernsehen. Wenigstens diese Sache musste mir bleiben, aber vom Boden aus, mit angespanntem Po und den Beinen in der Luft. Rauf, runter … rauf, runter …
Am ersten Tag war ich noch recht motiviert. Das Schwimmprogramm zog ich knallhart durch, was wohl auch daran lag, dass ich es über Wasser kaum im Badeanzug aushielt. Ich musste mir vor Samstag unbedingt noch einen neuen zulegen, irgendein Wunderteil, das mich in Richtung 90–60–90 quetschte, ich war bereit, all mein Geld dafür auszugeben.
Auf den Saunagang verzichtete ich an diesem ersten Trainingstag. Gezwungenermaßen. Da stand so großartig an der Tür geschrieben: Einlass zu jeder halben und vollen Stunde . Das passte absolut nicht in meinen Zeitplan, da hätte ich alles andere umändern müssen und das ging leider nicht. Jammerjammerschade.
Als ich schleppenden Schrittes um kurz vor elf in die Sieveringer Straße einbog, überlegte ich, ob ich kurz beim Piraten reinschauen sollte. Gisela wäre natürlich dagegen gewesen, klar, doch Gisela war ja nicht da. Ich hatte Seitenstechen und fühlte mich vollkommen dehydriert. Laufen konnte man das, was ich tat, längst nicht mehr nennen, nicht mal mehr schleichen. Ich schaffte es immerhin irgendwie, einen Fuß vor den anderen zu setzen und halbwegs die Spur zu halten.
Zwei Meter vor dem Libri Liberi steigerte ich das Tempo auf Zeitlupenjogging. Der Pirat sollte ruhig sehen, wie sportlich ich war, zu schnell durfte ich aber auch nicht sein, sonst hätte er ja gar keine Gelegenheit, mich zu sehen. Allerschönstes Zeitlupenjogging, laaaaangsaaaam, elegaaaaaant, Haaaaaallooooo, ich hob die Hand zum Gruß, setzte mein schönstes Lächeln auf und joooooooggte am Buchgeschäft vorbei. Der Pirat war nirgends zu sehen. Mist. Ich trippelte ein paar Schritte zurück und klebte meine Nase an die Glastür. Nichts.
»Guten Morgen, Frau Kis.«
Ich erschrak fast zu Tode. Und prallte mit meinem – trotz Frühsport immer noch erstaunlich schwabbeligen – Hintern an den Piraten. »Was machen Sie denn – auf der Straße?«, stieß ich hervor, plötzlich wieder unglaublich außer Atem.
Er hielt ein paar leere Säcke hoch und zeigte auf die andere Straßenseite zu den Mülltonnen. »Ich habe mich alter Lasten entledigt.«
»Ach ja, verstehe.«
»Oh, und die letzten Minuten habe ich Sie bei Ihrem Morgensport beobachtet.«
Die letzten Minuten ? »Ich, äh«, begann ich, »hatte eine Art Krampf, deswegen war ich ein bisschen langsamer, das passiert manchmal, wenn ich es mit dem Sport übertreibe, dann muss ich auch diese Armbewegungen machen …« Ich ruderte mit den
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