Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Aschenpummel (German Edition)

Aschenpummel (German Edition)

Titel: Aschenpummel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Miedler
Vom Netzwerk:
Tief durchatmen. Alles wird gut.«
    »Mir geht’s –«, ich schluchzte auf, »mir geht’s eh gut. Das ist es ja.« Ich schniefte zweimal, dann platzte es aus mir heraus: »Warum trägt er die Augenklappe, Gisela?«
    Sie lächelte. »Das herauszufinden liegt an dir.«
    Ich starrte sie an. »Ich hab schon was herausgefunden. Was wirklich Erschütterndes. Er hat die Seite gewechselt.«
    »Ich weiß.« Sie nickte. »Das macht er jedes halbe Jahr. Verrückter Hund, aber was soll’s.«
    »Bitte sag es mir. Bitte.«
    »Teddy, wenn du ihn wirklich liebst, dann lass ihn das machen, okay?«
    Nein, nicht okay, aber was konnte ich schon dagegen tun. Ich biss mir auf die Unterlippe, hatte Angst vor der Frage, die ich gleich stellen würde. Und noch vielmehr Angst vor Giselas Antwort, aber ich musste es einfach wissen.
    »Was?«, begann ich, »was hat er dir über mich erzählt? Außer dass ich – lesbisch bin.« Bei den letzten beiden Worten verzog ich unwillkürlich das Gesicht. O Gott, hoffentlich verstand Gisela mich nicht falsch und dachte jetzt, ich hätte etwas gegen Homosexualität. Doch Gisela lächelte mich an und drückte kurz meine Hand.
    »Viel war es nicht. Er hat mich gestern angerufen und mir gesagt, dass er jemanden kennt, der Probleme mit der Identifikation hat. In so einem Fall rücke ich an.« Sie zuckte mit den Schultern. »Aber du, meine Liebe, bist eindeutig nicht lesbisch, und so verblendet wie Sigi kann nur ein Hetero sein.«
    »Und was mach ich jetzt?«
    »Du willst ihn. Also schnapp ihn dir.«
    Sie sagte es, als wäre das die logischste Sache auf der Welt. Und die einfachste noch dazu.
    »Ja, aber wie?«, stieß ich hervor.
    Gisela schnalzte mit der Zunge. »Leicht wird’s nicht. Nachdem er dich momentan für lesbisch hält –«
    Ich schniefte. Gisela rüttelte mich. »Als Erstes hörst du mal damit auf, in Selbstmitleid zu versinken. Damit ist jetzt Schluss, kapiert? Sigi braucht keinen Jammerlappen an seiner Seite, das ist er selber. Du musst die Starke sein, alles klar? Lass dich nicht so gehen, sei froh, dass du so bist, wie du bist. Andere werden ohne Beine geboren.«
    »Und ich ohne Brüste.«
    Schon zog sie mein T-Shirt in die Höhe. »Zeig!«
    »Nein!«
    »Glaubst du, ich will dich anbaggern?«
    »Nein, aber ich geh auch nicht in die Sauna oder so …«
    »Dann zeig mir wenigstens, wie die Dinger im BH ausschauen.«
    Ich schloss die Augen, während sie ihr Urteil sprach: »Teufel, ist der laienhaft ausgestopft. Was ist das überhaupt? Anderer BH muss her.«
    Sie hielt mich links und rechts an den Schultern, legte den Kopf schief und kniff die Augen zusammen. »Kannst du schwimmen?«
    Fünf Minuten später hatte ich eine Verabredung mit dem Piraten. Für diesen Samstag, mit ihm und seiner kleinen Nichte im Freibad. Sie war sechs Jahre alt und wollte nicht in die Herrenumkleide. Der Pirat wiederum konnte schlecht in die Damenumkleide, und ganz alleine wollte er sie auch nicht lassen, also hatte Gisela versprochen, mitzukommen. Doch leider, leider hatte die gute Gisela – »ich unglaublicher Schussel« – bereits an diesem Tag einen anderen wichtigen Termin, den sie nicht mehr absagen konnte. Deshalb würde an ihrer Statt die liebe Teddy als weibliche Unterstützung mitkommen.
    Es war ganz und gar unglaublich. Ich hatte ein Date mit dem Piraten.

12
    »Und jetzt erzähl mir ein bisschen was über dich.«
    Meine erste Reaktion war Abwehr. Noch nie hatte mich jemand dazu aufgefordert, über mich selbst zu reden. Nicht mal Hans, als ich mich für den Job im Schuh-Bi beworben hatte. Er bat mich lediglich, meinen Namen aufzuschreiben, weil er ein hundsmiserables Namensgedächtnis hatte. Am dritten Tag bekam ich einen Zweitschlüssel für den Schuhladen. Das hatte mir so gefallen an ihm. Er vertraute mir von Anfang an.
    »Na?«, bohrte Gisela sanft nach.
    Die Abenddämmerung setzte langsam ein und begann, den Himmel über unserer Parkbank zartgolden zu schattieren. Giselas Locken lagen wie ein leuchtender Flammenkranz um ihren Kopf. Warum nur hatte ich mir helle Strähnchen machen lassen – rote Haare, das wäre es gewesen. Ich räusperte mich.
    »Nun ja, ich bin zweiunddreißig. Noch. Ende des Monats werde ich dreiunddreißig. Und ich, ich kenne den Pi-, Sigi seit vier Monaten. Seitdem er das Buchgeschäft hat. Und … nun ja –« Ich blies eine Menge Luft aus meinen Lungen. Fand, dass ich genug erzählt hatte.
    Gisela war anscheinend anderer Meinung.
    »Was machst du denn gerne?«,

Weitere Kostenlose Bücher